Einnahmequelle Tempelhof: Flughafen wird Schnäppchen
Wie viel Miete zahlt die Modemesse Bread & Butter? 2009 sagte Wowereit: So viel wie niemand sonst. Jetzt heißt es: So wenig, dass niemand davon erfahren darf.
Die Höhe der Miete für die Modemesse Bread & Butter im Tempelhofer Flughafengebäude bleibt weiter geheim. Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht Münster im Dezember geurteilt, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben müsse Journalisten Auskunft geben. Allerdings kündigte die Behörde am Montag an, in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.
Die Entscheidung, das Flughafengebäude an die Modemesse zu vermieten, hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Jahr 2009 getroffen – wofür es damals reichlich Kritik aus der Opposition gab. Ein Journalist klagt sich jetzt durch die Instanzen, um den Mietpreis zu erfahren.
Das Gerichtsverfahren ist schon jetzt aufschlussreich: Es zeigt einen bemerkenswerten Schwenk in der Argumentation des Landes Berlin. Wowereit rechtfertigte seine Entscheidung 2009 auch damit, die Mietzahlung seien besonders hoch. Der Nachrichtenagentur ddp sagte er damals, Bread & Butter zahle mehr Miete als jeder andere aktuelle Interessent aufbringen würde. „Das weiß ich“, betonte der Regierende Bürgermeister. Die Meldung wurde damals etwa auch vom Tagesspiegel weiterverbreitet.
Vor Gericht behauptet das Land Berlin jetzt das Gegenteil: Die Mietzahlungen und die anderen Konditionen seien so günstig, dass es schädlich wäre, wenn potenzielle Mieter davon erfahren. Zu befürchten sei „eine Beeinträchtigung der Verhandlungsposition gegenüber weiteren Mietinteressenten, die entsprechende Zugeständnisse für sich fordern könnten“, so wird die Stellungnahme des Landes Berlin in dem Gerichtsurteil wiedergegeben (Randnummer 37).
Auch Messe pocht auf Geheimhaltung
Auch die Macher der Modemesse setzten sich vor Gericht für die Geheimhaltung ein. Ihr Geschäft besteht darin, das Flughafengebäude vom Land Berlin zu mieten und dann einzelne Flächen an Modeunternehmen weiterzuvermieten, damit sie dort ihre Kollektionen ausstellen. „In Verbindung mit der Information über veranschlagte Messegebühren für Stände und Aussteller ließen sich eindeutige, wettbewerbsschädigende Rückschlüsse auf Quadratmeterpreise und ihre wirtschaftliche Kalkulation ziehen“, gibt das Gericht die Argumentation der Messebetreiber wieder.
„Diese Informationen könnten Mieter von Ausstellungsflächen in Vertragsverhandlungen einbringen.“ Sprich: Wenn die Modeaussteller erfahren, wie günstig die Messebetreiber die Flughafenflächen mieten, sind sie nicht mehr bereit, so viel Geld wie bisher für die einzelnen Standflächen zu zahlen.
Die Vermietung des Flughafengebäudes kam 2009 überraschend. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte zuvor für das Gebäude einen offenen Ideenwettbewerb gestartet. Noch während der Wettbewerb lief, entschied Wowereit: Die Modemesse kann das Gebäude zweimal im Jahr mieten, zehn Jahre lang. Damit war das Gebäude für alle Nutzer blockiert, die sich dort nicht nur temporär, sondern dauerhaft einrichten wollten – wie etwa das Filmstudio Babelsberg.
Weil auch die Abgeordneten nicht den Vertrag sehen durften, gingen die CDU-Parlamentarier Florian Graf und Uwe Goetze zum Verfassungsgerichtshof. Daraufhin bekamen sie doch noch Einsicht – aber nur unter der Bedingung der Vertraulichkeit. Die beiden dürfen also die Zahl nicht nennen, sondern diese nur bewerten. Graf sagte im Parlament an Wowereit gerichtet, der Vertrag sei „in wirklich unangenehmer Weise Symbol für die Selbstherrlichkeit Ihrer Politik geworden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil