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Einnahmen? Furchtbar gerne!

■ Werders Präsident Franz Böhmert über Geld, Sauberkeit und Harakiri

„Künftig eine Werder AG, die die Geschäfte des Vereins führt, das könnte sein.“Foto: Jörg Oberheide

taz: Herr Böhmert, fühlen Sie sich noch als Präsident eines Sportvereins oder schon eher als der heimliche Aufsichtsratsvorsitzende eines Unternehmens, das pro Jahr zweistellige Millionenumsätze macht?

Franz Böhmert:Es ist beides. Ich bin seit meiner Kindheit mit dem Fußball verbunden, und deshalb fühle ich mich bei Werder immer noch als Vorsitzender eines Sportvereins. Aber: Da ein Bundesliga-Verein heute vom Umsatz her ein Wirtschaftsunternehmen mittlerer Größe geworden ist, bin ich automatisch auch Aufsichtsratsvorsitzender.

Wann wird denn das SV bei Werder Bremen vorne gestrichen und hinten ein AG angehängt?

Das SV für Sportverein wird sicher nicht weggestrichen, solange ich dabei bin. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß in irgendeiner Form eine Aktiengesellschaft die wirtschaftlichen Belange im Bundesliga-Bereich führen wird. Das könnte sein. Aber die AG wäre dann ein Unternehmen des Sportvereins.

Hat die Professionalisierung im Fußball auch Ihre Aufgaben als Präsident verändert?

Die Entwicklung war abzusehen. Und wir haben uns immer bemüht, uns vom Führungsstil her an der Wirtschaft zu orientieren. Ich halte es für ausgeschlossen, daß ein ehrenamtliches Management ein solches Unternehmen führt. Diese Kompetenzen haben wir frühzeitig abgesteckt. Das wirtschaftliche und sportliche Management muß von Profis geführt werden. Deshalb haben wir als sportlichen Leiter den Trainer, und als wirtschaftlichen Leiter den Manager.

Von Ihnen wird das Wort überliefert, daß auf dem Spielermarkt geradezu „unanständige“ Summen geboten und bezahlt werden...

Ich bin ja auch im Vorstand beim DFB. Dadurch bin ich in der Schaltzentrale, im Liga-Ausschuß. Und ich betrachte die Entwicklung mit Sorge. Von den Wahnsinnspreisen, die in Italien für Spieler und Ablösesummen bezahlt werden, schwappt bei uns auch was über. Und manche meinen, wir müßten mit denen konkurrieren. Das können wir nicht. Mittlerweile werden da Summen gezahlt, die der Markt in Deutschland nicht hergibt.

Sie haben aber keine Sorgen, wenn Sie elf Millionen für einen Riedle kassieren können?

Das ist ganz klar. Einnahmen machen wir furchtbar gerne, aber Ausgaben eben weniger. Proble

hierhin bitte das

Foto von dem Mann am

Schreibtisch vorm dem

Bücherregal

hierhin bitte den

Kasten

„Werders leise Nummer 1“

matisch wird es aber doch, wenn ich mehr ausgebe, als ich einnehme, und das machen manche. Viele provozieren eine schlechte Entwicklung, indem sie ihr Geld ausgeben, bevor sie es haben, in der Erwartung, daß es sich wieder hereinspielen läßt. Aber die

„Hier sind nie Outsider hereingekommen wie bei anderen Vereinen. Vielleicht haben wir das immer abgeblockt“

Rechnung kann nie aufgehen. Denn in der Bundesliga werden von 18 Vereinen, die es ja wieder sein werden, immer welche unten und oben stehen. Und die die unten stehen, bei denen wird die Rechnung nicht aufgehen.

Sehen Sie eine Möglichkeit, gegen diese Entwicklung anzugehen?

Natürlich muß man in jedem wirtschaftlichen Bereich gewisse Risiken eingehen. Aber ich finde, diese Risiken müssen überschaubar sein. Ich muß auch die Negativrechnung mit einbeziehen, wenn ich investiere, und Wege wissen, wie ich dann da wieder herauskomme. Und das machen wir so. Wir waren in der glückliche Lage, daß wir für alle Investitionen, die wir gemacht haben, das Geld auch schon hatten. Und ich bin auch für die Zukunft sicher, daß wir kein Harakiri betreiben werden. Wer werden uns natürlich zu verstärken versu

chen, aber wenn das wirtschaftlich nicht machbar ist, werden wir es lassen. Wir haben zum Beispiel viele Verhandlungen mit Spielern aus der ehemaligen DDR geführt, und wir haben sie nicht gekauft, weil sie uns zu teuer waren.

Gesetzt, Sie hätten Geld genug: Gibt es für Sie eine moralische Schamgrenze, was die Finanzierung eines Neueinkaufes betrifft?

Es gibt eine Grenze bei uns. Wir achten darauf, daß die Spieler nicht exorbitant mehr verdienen als andere.

Das bezieht sich nicht auf die Ablösesummen?

Nein, nur auf die Gehälter. Da sind unsere Schallgrenzen. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch wichtig für das Verhältnis der Spieler untereinander. Es muß ein gewisses Gleichmaß herrschen. Die Spieler wollen aber auch keine Gleichmacherei. Wenn Rudi Völler doppelt so viel verdient hat wie der eine oder andere, dann hat das jeder Spieler akzeptiert, solange Völler die Leistung brachte. Aber auch das muß in einem Rahmen bleiben.

Zuletzt blieben bei Bundesligaspielen die Zuschauer aus im Weserstadion. Welche Rolle spielen die Zuschauerzahlen bei der Kalkulation des Vereins?

Wir rechnen für die kommende Saison mit 17.000 bis 18.000 Zuschauern. Da sind die Dauerkarten mit eingerechnet. Nicht in der Kalkulation, und das haben wir immer so gemacht, sind die Europapokal-Spiele. Da liegt unsere Stärke. Jede Mark, die wir da ein

spielen, schlägt bei uns positiv zu Buche. Unsere laufenden Kosten können wir ohne die europäischen Wettbewerbe tätigen, unsere Investitionen natürlich nicht. Außerdem muß man wissen, daß das Geld aus dem Verkauf von Eintrittskarten eine immer kleinere Rolle spielt in den Vereinshaushalten. Als ich vor 22 Jahren Präsident bei Werder wurde, waren praktisch 99 Prozent der Gelder aus dem Verkauf von Eintrittskarten, heute ist das deutlich weniger. Uns kommt diese Entwicklung zugute, weil wir ein Verein mit tendenziell weniger Zuschauern sind. Aber das war bei Werder immer so. Im ersten Jahr der Bundesliga, 1963, hatten wir 23.000 Zuschauer, in unserem Meisterjahr danach 27.000. Das war das bis heute beste Jahr. Selbst in unserem zweiten Meisterjahr hatten wir nur 22.000. Unsere Zuschauerzahlen werden sich immer in dieser Größenordnung bewegen. An Schalke und Dortmund kommen wir nicht heran. Dafür haben wir aber auch keine großen Einbrüche, 5.000, 6.000 Leute...

6.000 Zuschauer gegen Stuttgarter Kickers...

Diese Zahl hat die Presse erfunden. Deshalb geben wir auch jetzt keine Zahlen mehr bekannt. Die Presse hat ihre eigenen Zahlen gemacht, und die waren immer falsch.

Sie zählen per se immer 8.000 Dauerkartenbesitzer mit...

Aber das sind doch auch Zuschauer...

Auch, wenn Sie nicht kommen?

Nein, aber Sie wissen doch gar nicht, wieviel nicht kommen. Woher denn auch? Ich bin vom Bundesliga-Anfang an dabei, und ich habe mit Schätzungen von Zuschauern oft danebengelegen.

Werder Bremen hat ein blitzsauberes Image. Im Gegensatz zu anderen Vereinen bleiben Vorstandsquerelen in der Familie, Schieber und Dunkelmänner haben, anders als sonst im Fußball, hier keine Chance. Woran liegt das?

Ich glaube, Werder hat eine sehr gute Tradition. Solange ich bei Werder bin, rekrutierten sich die Mitglieder immer aus dem Sportverein. Damit kommen wir zum Anfang zurück: Solange Werder ein SV und nicht eine AG ist, herrschen hier noch ein sportlich guter Geist und Solidität. Hier sind auch nie Outsider hereingekommen wie in vielen anderen Vereinen. Vielleicht haben wir das auch immer abgeblockt. Fragen: Markus Daschner

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