Einigung im Einzelhandel: Der Samstag wird zum Werktag
Die Beschäftigten im Einzelhandel Baden-Württembergs bekommen 3 Prozent mehr Lohn und behalten ihre Spätzuschläge - außer samtags. Wird die Einigung zum Pilotabschluss?
BERLIN taz Mit einer Dauer von 15 Monaten war es der längste Arbeitskampf, der seit 1949 um den Abschluss eines Flächentarifvertrages geführt wurde. Am frühen Donnerstagabend hatten sich die Gewerkschaft Ver.di und die Arbeitgeber in Baden-Württemberg auf einen neuen Flächentarifvertrag für den Einzelhandel geeinigt. Die Vereinbarung soll "Pilotcharakter" auch für andere Bundesländer haben, empfahlen sowohl die Gewerkschaft Ver.di als auch die Arbeitgeber am Freitag.
Die Spätzuschläge für Abendarbeit bleiben laut Vereinbarung unangetastet. Wie bisher gibt es von 18.30 Uhr an 20 Prozent mehr Geld und von 20 Uhr an Zuschläge von 50 Prozent auf den Bruttolohn. Am Sonnabend allerdings sollen die Zuschläge von 20 Prozent erst ab 18.30 Uhr statt wie bisher ab 14.30 Uhr gezahlt werden. Ab 20 Uhr gibt es 50 Prozent mehr. Der Samstag wird so zum normalen Werktag für die Verkäuferinnen.
Der teilweise Wegfall der Zuschläge soll in den Jahren 2009 und 2010 jeweils mit 150 Euro kompensiert werden, die aber entweder für die Altersversorgung verwendet, auf ein Langzeitkonto eingezahlt oder in Form von Warengutscheinen ausgegeben werden. Die Einigung in Stuttgart sieht zudem vor, dass die Beschäftigten rückwirkend vom 1. April 2008 an 3 Prozent mehr Geld bekommen. Für das Jahr davor soll es Einmalzahlungen auf den Lohn geben. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis zum 31. März 2009.
Den von den Arbeitgebern gewünschten Wegfall der Spätzuschläge verhindert zu haben, sei "ein Erfolg der Streikaktionen", sagte Ralf Berchtold, Sprecher des Ver.di-Landesbezirkes Baden-Württemberg, der taz.
Die Arbeitgeber hätten "keinen tariflosen Zustand gewollt", erklärte Heribert Jöris, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), die Zustimmung des Unternehmerlagers zur Einigung. Die Arbeitgeber wollten nicht, dass der Staat "aktiv wird", weil es keine tarifliche Einigung gebe, sagte Jöris. Die Lohnverhältnisse im Einzelhandel werden häufig angeführt in der Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn.
Der niedrigste Tariflohn im Handel liegt im Osten derzeit bei 6,42 Euro die Stunde. In nicht tariflich gebundenen Kleinbetrieben werden mitunter 5 Euro brutto die Stunde gezahlt. Zwei Drittel der Beschäftigten in der Branche sind Frauen, mehr als die Hälfte ackern in Teilzeit.
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