Kommentar: Eingezäunte Insel
■ „Resozialisierung“– dies Wort bleibt auf Hahnöfersand eine Worthülse
Wer angesichts des neuen Hamburger Frauengefängnisses Assoziationen zur Gefängnisinsel Alcatraz äußert, kann sich der empörten Gegenwehr gewiß sein. Schließlich habe der neue Knast nur einen mittleren Sicherheitsstandard, betonte gestern Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem und zählte auf: keine Wachtposten, kein Natodraht, keine Kameras.
Doch Hamburg kann es sich auch risikolos leisten, auf all das zu verzichten. Denn das Gefängnis liegt auf einer Insel mitten in der Elbe. Und die wird bereits streng bewacht, weil auch der geschlossene Jugendknast dort ist. Wer von hier fliehen will, muß nicht nur über den Natodraht am Elbufer klettern, sondern auch noch den Fluß durchschwimmen. Mittlerer Sicherheitsstandard?
Daß die Frauen auf die Insel verbannt werden, entschuldigt der Justizsenator mit bedauernder Miene: In der Stadt sei einfach kein Platz für ein neues Gefängnis. Doch der Platzmangel scheint nicht der alleinige Grund für die Unterbringung auf der Insel. Gefangene gelten gesellschaftlich immer noch als per se gemeingefährlich. Weibliche Gefangene aber sind in der Regel keine Gewalttäterinnen, sondern sitzen überwiegend wegen Diebstählen und Betrügereien ein.
Der Knast gehört in die Stadt. Anders kann er liberalen Strafvollzug gar nicht erst ermöglichen: Wie denn sollen die Frauen aus dem Offenen Vollzug die Stadt erreichen? Und BesucherInnen müssen wegen der langen Anreise einen Urlaubstag nehmen. „Resozialisierung“und „Reintegration“sind schöne Worte. Auf Hahnöfersand finden sie ihre Grenze an den Ufern der Elbe. Elke Spanner
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