Eingeloggt in fremdes Wlan: Polizei erwischt "Schwarzsurfer"
Beamte nehmen nachts in Bad Saulgau einen Mann unter Verdacht des Surfens in fremden W-Lan-Netzen fest. Ob das aber eine Straftat ist, bleibt unter Juristen heiß umstritten.
„Bin ich schon drin?“ – In der Frühphase des Internets wollte Boris Becker mit dem Slogan die Massen ins Netz locken. Heute kann das online-Gehen brandgefährlich sein – zumindest für „Schwarzsurfer“, die sich in ungeschützte, fremde W-Lan-Netze einklinken. Sie riskieren nach derzeitiger Rechtsprechung einen Auftritt vor Gericht und den Verlust ihres Computers.
Im baden-württembergischen Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen) erwischte die Polizei jüngst einen Mann, der sich in ein fremdes Netz eingebucht hatte. Der 27-Jährige habe mit seinem Notebook nachts um eins auf einer Außentreppe gesessen, teilte die Polizei mit. Als ein Streifenwagen um die Ecke bog, klappte er den Rechner zu und wollte sich entfernen.
Das kam den Beamten verdächtig vor. Bei der anschließenden Kontrolle stellten sie fest, dass der Mann schwarz gesurft hatte und beschlagnahmten den Rechner. Ob das bloße Einloggen in ein unverschlüsseltes Netz aber verboten ist, ist unter Juristen heiß umstritten.
„Es kommen verschiedene Tatbestände in Betracht“, sagt Edwin Dobler von der zuständigen Polizeidirektion Sigmaringen. Er bestätigt, dass es den Ermittlern im vorliegenden Fall um das Einloggen selbst geht und nicht um kriminelle Inhalte. Derzeit prüfe ein Spezialist für Computerkriminalität, „wo der Verdächtige sich eingeloggt hat und welche Daten da geflossen sind.“
Denkbar sei, dass der Mann einen Internetzugang nutzen wollte, ohne dafür zu bezahlen. Es werde ebenfalls geprüft, ob der Mann „Daten ausgespäht“ oder mit seiner „Funkanlage“ Nachrichten abgehört habe – so heißt es im Juristendeutsch in den Paragraphen aus insgesamt drei Gesetzen, die für das W-Lan-Surfen in Frage kommen.
„Eine gefestigte Rechtssprechung gibt es dazu noch nicht“, sagt Rechtsanwalt Thomas Gramespacher aus Siegburg. Nach der derzeitigen Rechtslage könne niemand klar beantworten, ob – und vor allem warum – das bloße Einklinken in ein ungesichertes Netz strafbar sei.
„Das wird unter Juristen kontrovers diskutiert“, sagt Gramespacher, der auch die Internetzeitschrift „Medien, Internet und Recht“ herausgibt. So streiten sich die Gelehrten etwa, ob der W-Lan-Netzbetreiber sein Netz eben einfach gegen Schwarzsurfer schützen muss, wenn ihm an der Geheimhaltung seiner Daten gelegen ist.
Bekannt geworden ist in Fachkreisen ein Wuppertaler Richterspruch: Der Richter verwarnte im Jahr 2007 einen Schwarzsurfer – und zog dessen Laptop als „Tatwerkzeug“ ein. Der Mann habe vom Router eine IP-Adresse zugewiesen bekommen, urteilte das Gericht – das sei unbefugtes Abhören personenbezogener Daten.
Rechtsanwalt Gramespacher wünscht sich nun eine höchstrichterliche Rechtsprechung, um klare Verhältnisse zu schaffen. Solange sollte jeder die Empfehlung des Chaos Computer Club befolgen, dessen Sprecher Frank Rosengart der taz in einer Stellungnahme schreibt: „Nach den Berichten der letzten Zeit sollte man allerdings vom Laptop-Gebrauch in der Öffentlichkeit abraten.“ Es bestehe immer die Gefahr, dass „das Notebook mit der fast abgabefertigen Diplomarbeit konfisziert wird“.
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