Einfluss des Staates über Banken: Steinbrück allmächtig
Das Rettungspaket gibt dem Finanzminister viele Möglichkeiten, die Banken-Politik zu bestimmen. Ob er sie nutzt, entscheidet er fast allein. Die Banken scheinen bisher nicht beunruhigt.
Das "V-Wort" meidet die Regierung wie ein Banker derzeit einen faulen Subprime-Kredit: Von "Verstaatlichung" sprechen Union und SPD im Zusammenhang mit dem 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket überhaupt nicht gern. Dabei gibt das eilig zusammengeschnürte Gesetzespaket Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) nicht nur die Möglichkeit, Aktienanteile oder stille Beteiligungen an Kreditinstituten zu erwerben. Zudem soll künftig ein unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken möglich sein. Und zwar - anders als bisher in der Öffentlichkeit dargestellt - nicht nur für Geldinstitute, an denen sich der Bund direkt beteiligt, sondern auch für jene, bei denen er nur für Kredite bürgt oder Risiken übernimmt.
Welchen Unternehmen auf welche Weise und zu welchen Bedingungen geholfen wird, soll das Finanzministerium nach dem vorliegenden Gesetzentwurf allein entscheiden. Zur Verfügung stehen drei verschiedene Möglichkeiten:
Um Kredite von Banken abzusichern, werden in einem Stabilisierungsfonds 400 Milliarden Euro als Sondervermögen des Bundes bereitgestellt. Auf diese Weise soll der Geldkreislauf zwischen den Banken wieder in Schwung kommen, der zum Erliegen gekommen war, weil die Banken sich gegenseitig nicht mehr vertrauen. Faktisch belastet wird der Haushalt durch diese Garantie nur, wenn ein Kredit tatsächlich ausfällt. Dafür werden zunächst 20 Milliarden Euro eingeplant. Anders als bisher will die Regierung für die staatliche Bürgschaft eine "angemessene Gebühr" verlangen. Die Höhe lässt das Gesetz offen; Steinbrück sprach am Mittwoch von 2 Prozent.
Zweitens stellt die Regierung für direkte Kapitalspritzen an notleidende Banken weitere 80 Milliarden Euro zur Verfügung. Dafür können alle Arten von Anteilen an Banken erworben werden: normale Aktien, stimmrechtlose Vorzugsaktien oder Genussscheine. Um eine schnelle Abwicklung zu ermöglichen, wird das Aktienrecht so geändert, dass das Grundkapital ohne Zustimmung des Aufsichtsrats um 50 Prozent erhöht werden kann. Wie teuer diese Beteiligungen für den Steuerzahler letztlich werden, hängt davon ab, zu welchem Preis der Bund sie später wieder verkaufen kann, und ob Banken pleite gehen.
Als dritte Möglichkeit kann der Stabilisierungsfonds gegen entsprechende Sicherheiten riskante Papiere von Banken erwerben oder absichern.
Im Gegenzug für diese Unterstützung will sich der Bund weitreichende Mitsprachemöglichkeiten bei den Banken sichern. Der Gesetzesentwurf nennt unter anderem die geschäftspolitische Ausrichtung, die Vergütung der Manager und die Ausschüttung von Dividenden - aber keine konkreten Zahlen. Steinbrück sprach jedoch am Montag davon, dass die Manager von hilfesuchenden Banken nicht mehr als 500.000 Euro verdienen dürfen. Zudem forderte er den Verzicht auf Bonuszahlungen und Dividenden.
Theoretisch hat der Finanzminister also künftig viel Macht über alle hilfsbedürftigen Banken. Beim Bankenexperten Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum findet das Zustimmung: "Es ist sinnvoll, dass der Staat in einer solchen Situation die Konditionen bestimmt." Zudem sorgten die Auflagen dafür, dass nur Banken Hilfe beanspruchen, die sie wirklich benötigen.
Auf Kritik stößt hingegen, dass Steinbrück allein - oder allenfalls zusammen mit dem Kabinett - entscheidet, ob er seine neuen Befugnisse nutzt. Dass das Parlament an den Details nicht beteiligt ist, stößt dort entsprechend auf große Verärgerung. Die Fraktion der Linken hat zwar angekündigt, das Eilverfahren nicht zu blockieren. Weil man aber keinen "Blankoscheck" für die Verwendung der Milliardengelder ausstellen wolle, werde die Fraktion dem Gesetz selbst nicht zustimmen, sagte Parteichef Oskar Lafontaine am Dienstag. Von einem "Entmachtungsgesetz der parlamentarischen Demokratie und des Haushaltsrechts" sprach Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. "Es handelt sich um sehr weitreichende, aber völlig unkontrollierte Möglichkeiten", kritisierte auch Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. Statt "unverbindlicher Kannbestimmungen" fordert er verbindliche Vorgaben. Anderenfalls sei davon auszugehen, dass Steinbrück faktisch nur wenig Einfluss nehmen wird.
Darauf scheinen auch die Banken zu hoffen. Von großer Sorge ob der neuen Machtbefugnisse des Ministers ist dort jedenfalls nichts zu spüren. Man sei noch dabei, sich ein Bild zu machen, heißt es bei Commerzbank und Deutscher Bank. Details aus dem Gesetz waren am Dienstag zumindest in den Pressestellen noch gar nicht bekannt. Zurückhaltung auch beim Bankenverband, dem Zusammenschluss der privaten Banken. Hauptgeschäftsführer Manfred Weber hielt es im Deutschlandfunk zwar für nachvollziehbar, dass der Bund "mitreden wird, dort wo er hilft". Einzelteile des Gesetzes wollte ein Sprecher auf Nachfrage aber nicht kommentieren.
Auch die Börsianer scheinen sich keine Sorgen um die Banken zu machen: Um 28 Prozent stieg der Kurs der Hypo Real Estate zwischenzeitlich an. Die Deutsche Bank verbesserte sich vorübergehend um 17 Prozent, Commerzbank und Postbank um knapp 10 Prozent. Der DAX stieg bis zum frühen Abend um fast 3 Prozent.
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