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„Einer ist der Sündenbock“

■ Was tun gegen Mobbing ? Jost Beilken übt mit Betriebsräten Konfliktlösungsstrategien

Der freie Erwachsenenbildner Jost Beilken trainiert betriebliche Konfliktlösung mit Betriebsräten und Vorgesetzten im Auftrag von Angestelltenkammer, Volkshochschulen und Gewerkschaften. Die taz fragte den Bremer Pädagogen über Trends und Gegengifte beim „Mobbing“, wenn KollegInnen im Betrieb fertiggemacht werden.

taz: Sie beraten Multiplikatoren beim Lösen von Mobbing-Konflikten. Wovon gehen Sie aus?

Jost Beilken: Beim Mobbing dient einer im Betrieb anderen als Projektionsfläche und Sündenbock. Da wird jemand ausgeguckt, der sich nicht genügend wehren kann; es kann auch Konkurrenz dahinter stecken. Wie bei vielen Konflikten begründet dabei das Empfinden des Einzelnen das Handeln – und nicht was tatsächlich stattfindet. Oftmals fühlen sich die Täter von demjenigen angegriffen, der als Opfer ausgeguckt ist. Unklare Aufgabenverteilung und unklare Hierarchien sind guter Nährboden für Mobbing.

Bislang vertraten Betriebsräte die Anliegen der Belegschaft gegenüber den Chefs. Jetzt werden sie ausgebildet, die Betroffenen beim Mobbing zur Raison bringen. Ist das nicht kurios...?

Tatsächlich ist das ein Pflaster, wo Betriebsräte aufpassen müssen, nicht für Drecksarbeit mißbraucht zu werden. Denn natürlich sind auch Chefs im Mobbing involviert wie etwa in der Schule, wo ein Lehrer einen Einzelnen der Lächerlichkeit preisgibt und jeder Angst hat, er könnte der nächste sein, auf den sich alle stürzen dürfen...

Aber in Wirklichkeit ist Mobbing sehr vielgestaltig. Wenn der Betriebsrat sich hier auskennt, kann er vermeiden, daß das Problem so lange aufgeschoben wird, bis es nur noch eine Schwarz-Weiß-Lösung gibt.

Ist der Betriebsrat hier der richtige Adressat?

Das Thema Mobbing ist so unangenehm, daß auch Betriebsräte nicht gerne hinsehen. Auch sind sie eigentlich Menschen, die gelernt haben, ihre Ellenbogen zu gebrauchen. Von daher müssen sie erst umdenken, um sich in die Situation der Opfer zu versetzen. Aber sie werden angesprochen und müssen sich ein Bild machen. Eine Frage dabei ist: Sollen sie Kollegen in Not helfen ? Oder wird hier das Wort Mobbing benutzt, wo ein einzelner die Gruppe terrorisiert? Das ist ja auch möglich.

Wie lotet man das aus?

Man muß lernen, zuzuhören, um die Situation von verschiedenen Seiten zu betrachten und Schuldzuweisungen vermeiden. Auch der Täter kann aus einer gewissen Not heraus gehandelt haben. Dieses Verständnis hilft dem Betriebsrat beispielsweise, eine unterstützende Position für beide Parteien einzunehmen. Das Problem sollte dann aber schnell an Vorgesetzte abgegeben werden.

Einem Arbeitsgerichtsurteil zufolge müssen Unternehmen die Mobbing-Fortbildung für Betriebsräte bezahlen. Voraussetzung ist ein konkreter Anlaß. Wie sieht der aus?

Das könnte ein medizinisches Gutachten sein: Krankheit durch Mobbing. Die rechtliche Seite ist da aber noch nicht ausgereift, der Arzt begibt sich hier auf unsicheres Eis. Auch die Beurteilung durch externe Experten ist noch nicht erprobt. Wer sich als Opfer von üblen Nachstellungen empfindet, dem wird aber empfohlen, Ort, Zeit und Zeugen zu notieren, wenn Übergriffe passieren.

In jedem Fall ist erst die Aussprache anzustreben. Legitim sind selbstverständlich auch Druckmittel. Ich empfehle gerne das Buch von Andrea Hurton, „Man benimmt sich wieder“. Sie rät, Kollegen zurückzuärgern.

Wie wirkt sich Arbeitsplatzabbau auf Mobbing aus?

In Streß- und Belastungssituationen ist die Gefahr größer, daß Mobbing auftritt. Insgesamt ist die Konjunktur für dieses Thema wohl auch dadurch bedingt.

Fragen: Eva Rhode

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