: Eine unfreundliche Akquisition
■ Angeblich ist Krupp nur der ausländischen Konkurrenz zuvorgekommen/ Zusammen mit Hoesch immer noch kleiner als Thyssen
... und J.R. Ewing grinste, hob sein Whiskey-Glas und prostete seinem Gegenüber zu: „Auf unsere gute Partnerschaft.“ Womit der Dallas- Fiesling selbstverständlich eine für ihn selbst profitable Partnerschaft meinte. Kajo Neukirchen, Vorstandsvorsitzender der Hoesch AG, hat wahrscheinlich nie mit J.R. angestoßen; wohl aber gelegentlich mit Gerhard Cromme, dem Chef des Essener Krupp-Konzerns. Cromme sprach dabei von Partnerschaft zwischen den beiden Stahlproduzenten — dabei war er längst dabei, heimlich ein knappes Viertel des zuvor bei 110.000 AktionärInnen breit gestreuten Kapitals einzukaufen.
„Es handelt sich nicht um eine feindliche Übernahme“, behauptete Crommme am Donnerstag, als bekannt wurde, daß er von Banken, die weitere 35 Prozent des Hoesch-Kapitals halten sollen, zusätzliche Aktienpakete zu kaufen beabsichtigt. Sprechen wir also mit den Worten des stellvertretenden Hoesch-Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Bleicher von „unfreundlicher Akquisition“.
Ihm sei es nur darum gegangen, dem Einstieg der ausländischen Konkurrenz bei Hoesch zuvorzukommen, begründete Cromme den Coup, der auch die bestinformierten Wirtschaftsfachleute überraschte. Schließlich ist es keineswegs so, daß ein Konzern eine Klitsche schluckt. Krupp (1990: 15,6 Milliarden Mark Umsatz, 59.000 Beschäftigte) und Hoesch (12,6 Milliarden Umsatz, 51.000 Beschäftigte) sind ungefähr gleich groß. Hoesch gilt gar, obwohl der Konzern 1990 mit 440 Millionen Mark einen niedrigeren Gewinn ausgewiesen hat als 1989 (517 Millionen Mark), als finanzstärker als die Krupp GmbH, die 1990 in der Bilanz 135 Millionen Mark Verlust ausweisen mußte.
Woher also will Cromme die 500 Millionen Mark nehmen, die das Viertel aller Hoesch-Aktien angeblich gekostet hat? Insider werten Crommes Coup als Flucht nach vorn. Sie verweisen auf den Verkauf der Bremer Elektroniksparte für 350 Millionen Mark und darauf, daß Krupp somit in die Mittelmäßigkeit abzurutschen drohte — und auf dem ab 1993 schwierigeren Terrain des EG-Binnenmarktes dann wenig Chancen hätte.
Gerade im Stahlbereich, der bei beiden Konzernen weniger als die Hälfte vom Umsatz ausmacht, stößt Hoesch auf ähnliche Weltmarktrisiken wie Krupp. Beide zusammen sind (mit acht Millionen Tonnen pro Jahr) als Stahlkonzern noch immer kleiner als Thyssen mit zehn Millionen Jahrestonnen. Die EG-Kartellwächter dürften kaum etwas gegen den neuen Konzern einzuwenden haben: Auf der Weltmarkt-Rangliste würde Krupp-Hoesch zwar auf Platz 13 vorrücken, wäre aber innerhalb der EG immer noch deutlich kleiner als Usinor-Sacilor mit 23 Millionen Jahrestonnen Stahl.
Daß nicht umgekehrt Hoesch Krupp zu übernehmen versucht hat, liegt nicht zuletzt in der Eigentumsstruktur begründet: An der Börse ist es möglich, heimlich Aktienpakete zusammenzukaufen. Krupp hingegen gehört zu 74,9 Prozent der Krupp-Stiftung, das restliche Viertel hält der Iran. Außerdem hatte Krupp den Vorteil, daß in seinem Aufsichtsrat Friedel Neuber sitzt, der Chef der Westdeutschen Landesbank. Daß die Bank sich quasi zeitgleich ein 12-Prozent-Paket Hoesch-Aktien zulegte, dürfte kaum ein Zufall sein.
In Wirtschaftskreisen geht man laut 'Handelsblatt‘ übrigens nicht davon aus, daß ein Stahlstandort zugunsten des anderen aufgegeben wird: Hoesch sei stark im Flachstahlbereich, Krupp hingegen beim Edelstahl — und das könne sich wunderbar ergänzen. In diesen Kreisen befürchtet man vielmehr, daß sich Krupp an Hoesch überhebt — und daß eine Großfusion dieser Art zuwenig „Synergieeffekte“, sprich Rationalisierungsmöglichkeiten, biete. Donata Riedel
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