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Eine kleine Palastrevolution

■ Betr.: „Ein Bischof will verhüten lassen“, taz vom 4.1.94

Die seichte und halbherzige Kritik eines Bischofs am allmächtigen Papst an dem strikten Verbot von Verhütungsmitteln aller Art ist es wert, in der gesamten deutschen Presse Erwähnung zu finden. Für Katholiken ist es schon eine kleine Palastrevolution, wenn ein Bischof sagt, was fast alle Katholiken tun: Sie verhüten (hoffentlich) nach Lust und Laune. Die meisten Katholiken zeichnen sich bisher dadurch aus, daß sie feige schweigen – oder überhört die Presse die katholischen Frauenverbände? Für die Begründung des Herrn Bischofs für ein Überdenken der Verhütungsfrage muß die „arme Bevölkerung“ herhalten, der „ein gangbarer Weg“ der Empfängsnisverhütung nicht mehr aufgezeigt werden kann. Ist die „arme Bevölkerung“ zu blöd oder zu lüstern oder zu triebhaft? Oder um welches Thema wird sich hier herumgedrückt? Eine ernsthafte und ehrliche Diskussion unter Katholiken – nicht nur mit diesem Thema – wäre dringend angesagt. Aber wir werden es auch diesmal erleben, wie die zentralistisch geführten Amtskirchen eine öffentliche Diskussion zu verhindern wissen – wie beim Kirchenkritiker Drewermann praktiziert.

Viele ehemalige aktive Katholiken wissen, daß diese undemokratische und zentralistische Struktur der Amtskirchen mit diesen alten konservativen Männern an der Macht nicht reformfähig ist. Es erinnert an die zentralistische DDR mit ihren alten Herren, wo es zum Umsturz nur einer verhältnismäßig kleinen Oppositionsgruppe bedurfte. Wenn eine demokratisch- ökomenische Opposition von unten sich offiziell organisiert und dort ihre „Kirchen“-Steuer einzahlt, anstatt den Papst finanziell zu stützen, wird es vielen Katholiken leichter fallen, den längst innerlich vollzogenen Kirchenaustritt in die Tat umzusetzen, ohne in eine – zu Recht – befürchtete Leere zu stürzen. [...] Thomas Kohlstedt,

ehem. Ministrant, Berlin

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