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„Eine fixe Idee“

Hans Reker, Präsident des BFC Dynamo, gilt manchem als Totengräber seines Fußballklubs – er glaubt an sich

taz: Wie steht es um den BFC Dynamo?

Hans Reker: Die Situation ist mehr als angespannt. Wir haben noch drei Wochen Zeit, um das vorläufige Insolvenzverfahren abzuwenden. Tendenz: 50 zu 50. Wir führen Gespräche. Ich glaube, wir schaffen es, sonst würde ich nicht jeden Morgen um acht Uhr am Schreibtisch sitzen.

Wie hoch sind die Schulden?

Insgesamt 1,5 Millionen.

Bekommen die Spieler ihre Gehälter?

Sie erhalten ein so genanntes Insolvenzausfallgeld für drei Monate, finanziert vom Arbeitsamt. Die Spieler reißen sich zusammen. Ich habe Achtung vor dem Einsatz, den sie noch zeigen.

In der Pressekonferenz nach dem 1:0 im Oberligaspiel gegen Lichtenberg 47 am Samstag sagte ein Vertreter der Gegners süffisant: „Ich hoffe, wir sehen uns in der Rückrunde wieder.“

Wiedersehen tun wir uns irgendwann sowieso. Ob es dann um drei Punkte geht, ist die Frage.

Welche Gespräche führen Sie?

Im Mittelpunkt steht Dynamo Moskau. Da werden jede Woche Telefonate geführt.

Wie kam es zum Kontakt?

Wir haben einen engen Verbündeten, den ehemaligen Staatssekretär der Russischen Botschaft.

Was verspricht sich der BFC davon? Tun sich alte Seilschaften wieder zusammen?

Überhaupt nicht. Ich komme aus Westdeutschland und habe nie Beziehungen zu Dynamo Moskau gehabt. Es war eine fixe Idee von mir. Ich dachte: Jetzt ruf ich einfach mal in Moskau an.

Spontan.

Ganz spontan. Nach einem Brainstorming. Ich will keineswegs den Verein verkaufen. Wir haben eine BFC Marketing GmbH vor den Verein geschaltet und Moskau angeboten, die Vermarktung zu übernehmen – für europäische Firmen. Mittlerweile ist das so weit gediehen, dass schon ein neuer Hauptsponsor für Dynamo Moskau gefunden ist.

Wer denn?

Ein großer europäischer Pharmakonzern. Mehr will ich nicht sagen. Da wären die nie drangekommen.

Heißt das, dass dieser besagte Konzern nur Dynamo Moskau, aber nicht den BFC unterstützt?

Nein, wir besorgen die Werbepartner für die Moskauer und behalten etwas Provision ein. Das ist das System.

Sie erschließen den West-Markt und erhalten Anteile.

Genau. Und zuvor soll es eine Anschubfinanzierung geben. Es ist ja viel leichter für Dynamo Moskau, Geld aufzutreiben. Und für uns ist dies der Weg des geringsten Widerstandes. Es geht nicht um den Namen Dynamo, sondern um Vermarktungszwecke.

Eine Kooperation mit Dynamo Kiew oder Dynamo Bukarest ist ausgeschlossen?

Natürlich.

Warum lässt sich so schwer Geld für den BFC auftreiben?

Die Misere des BFC geht weit zurück. Kurz nach der Wende hatte der Verein 13 Millionen Mark auf dem Konto und die haben sich drauf ausgeruht, bis kein Geld mehr da war. Die kauften 100 Mofas und Mikrowellen, anstatt langfristig zu planen.

Aber das grundsätzliche Problem geht doch weiter zurück. Das weinrote Trikot mit dem Stasi-Mief kann der Klub nicht abstreifen.

Ja, das geht in der Tat nicht. Das ist ein Kult.

Aber ein negativer.

Es ist sehr schwer, einen Negativkult so zu verändern, dass es ein positiver wird. Das kriegen sie nicht mit Unternehmen aus Berlin hin, auch nicht mit den Fans. Eher mit Schweizern und Schweden. Die sehen das neutraler.

Warum?

Der größte Hass auf den BFC ist der Hass jenseits des Potsdamer Platzes.

Die Fans des BFC haben sich freilich auch aufs Hassen spezialisiert.

Das gab es bei den Eisbären auch. Durch den sportlichen Erfolg sind die Haare länger geworden. Automatisch. Wir versuchen, das Image zu verbessern. Aber mit Image allein kann ich keinen Spieler bezahlen.

Jetzt widersprechen Sie sich aber.

Wissen Sie, es ist nicht einfach. Im Internet lese ich, der Reker ist der Totengräber des BFC. Doch solange ich davon überzeugt bin, im Interesse des Klubs zu arbeiten, glaube ich an mich. Und wenn ich nicht mehr an mich glaube, brauche ich auch nicht zum BFC gehen.

INTERVIEW: MARKUS VÖLKER

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