: Eine Zuhälterin und ihre Leibeigenen
■ Landgericht verurteilt eine 46jährige Frau und ihren Sohn wegen Zuhälterei: Sie muß für viereinhalb Jahre in den Knast
Das Hamburger Landgericht hat gestern eine 46jährige Frau wegen Zuhälterei und Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihr Sohn bekam wegen der gleichen Delikte eine zweijährige Bewährungsstrafe. Seit Mai dieses Jahres hatte die Große Strafkammer herauszufinden versucht, ob Mutter und Sohn junge Frauen aus ihrer Heimat in der Dominikanischen Republik mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt haben. Am Ende reichten die Beweise nicht aus, um das Duo wegen Menschenhandels zu verurteilen.
Unstrittig ist jedoch, daß die beiden zwei 16 und 27 Jahre alte Zeuginnen in Hamburg in sogenannte Modelwohnungen gesperrt und zur Prostitution gezwungen haben. Die jungen Frauen hatten vor Gericht bekundet, sie seien im Frühjahr 1995 nach Deutschland gelockt worden, um hier Friseurinnen oder Kosmetikerinnen und auf alle Fälle sehr reich zu werden. Doch gleich nach der Ankunft folgte das böse Erwachen: Sie mußten für die Angeklagte als Prostituierte arbeiten. Von dem Erlös sahen die Frauen keinen Pfennig. Geld, Kleidung und ihr gesamter Besitz wurden ihnen abgenommen, so daß sie die Wohnung nicht verlassen konnten. Zeitweise hatten sie nicht einmal genug zu essen.
Erst im Juni 1995 gelang den Frauen die Flucht. Als die Angeklagten im August 1995 eines der Mädchen aufspürten und dieses vom 23jährigen Sohn der Zuhälterin mit einem Messer an der Hand verletzt wurde, wandten sie sich an die Polizei, um gegen ihre Peiniger auszusagen. Die Angeklagten hatten vergeblich versucht, auch die Adresse der zweiten geflohenen Frau in Erfahrung zu bringen.
„Wirtschaftlich gesehen bleibt den jungen Frauen in der Dominikanischen Republik als klassischem Rekrutierungsland kaum eine andere Wahl“, sagte der Vorsitzende Richter Heiko Raabe gestern in der Urteilsbegründung. Sie würden geradezu zur Prostitution gezwungen. „Man weiß nicht, wen man widerlicher finden soll: Diejenigen, die daran verdienen, oder die Männer, die die Nachfrage erhöhen“, so Raabe. Besonders strafverschärfend floß in die Urteilsfindung ein, daß eines der Opfer zur Tatzeit erst 16 Jahre alt war. Außerdem hätten die Angeklagten die Frauen aus der Dominikanischen Republik nahezu „wie Leibeigene“ behandelt.
Die Staatsanwaltschaft hatte für die Hausfrau sechs Jahre und für den Sohn drei Jahre und neun Monate Haft wegen Menschenhandels gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch oder maximal eine Bewährungsstrafe wegen Zuhälterei plädiert. Lisa Schönemann
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