■ Die britischen Supergurken des Monats: Eine Wahl ohne Kandidaten
Dublin (taz) – Irren ist zwar menschlich, doch was sich der Bezirksverband der Torys im englischen Billesdon geleistet hat, wird vermutlich eher als Idiotie in die Parteiannalen eingehen. Billesdon liegt in der Grafschaft Leicestershire, wo am 6. Mai Lokalwahlen stattfinden. Bisher besteht in der Bezirksverwaltung ein Patt: Sowohl die Torys als auch die Koalition aus Labour Party und Liberalen Demokraten verfügen über 42 Sitze. Das sollte anders werden. Die Konservativen waren recht zuversichtlich, daß sie der Koalition ein paar Sitze abnehmen könnten, um die Grafschaft endlich unter ihre Fuchtel zu bekommen.
Billesdon kam bei diesem Vorhaben eine Schlüsselposition zu – schließlich ist der Sitz bei den letzten Wahlen nur mit einer Mehrheit von 250 Stimmen an die Liberalen gegangen. Die Parteimaschine lief deshalb wie geschmiert. Die konservativen WahlhelferInnen waren in der vergangenen Woche aus dem ganzen Landkreis im Tory- Büro erschienen. Allein – es fehlte ein Kandidat für den Bezirksverordnetensitz.
In ihrem Eifer hatten die Parteifunktionäre vergessen, den Kandidaten im Rathaus anzumelden. Als man den kleinen Lapsus bemerkte, war es zu spät. Zwar machte sich sofort ein flinker Tory auf den Weg, verpaßte die Frist jedoch um eine halbe Stunde. Der Rathausbeamte ließ sich nicht erweichen und verweigerte die Annahme. „Man kann sagen, daß ich nicht besonders erfreut war, als ich von dem Desaster hörte“, sagte der Tory- Bezirksvorsitzende Keith Chell. „Die Erklärung ist ziemlich einfach: Jeder dachte, daß der andere den Nominierungsantrag abgegeben hatte.“
Der Grafschaftsvorsitzende Bob Osborne, der sich bereits als Chef der Lokalregierung gesehen hatte, sah nun statt dessen seine Felle davonschwimmen. Sein Mitgefühl galt jedoch den WählerInnen von Billesdon, die jetzt nur noch zwischen Labour und Liberalen wählen können: „Es muß besonders enttäuschend für sie sein, daß sie dadurch um eine echte Wahl gebracht werden“, klagte Osborne. Sie werden es überleben, was man von Margaret Richards nicht mit gleicher Sicherheit sagen kann. Sie hatte erst am Morgen des verhängnisvollen Tages das Amt als Tory-Wahlkampfleiterin übernommen – gerade rechtzeitig, um die Katastrophe hautnah mitzuerleben. Ralf Sotscheck
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