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■ BuchtipEine Liebe zwischen Gao und Toulouse

Im Jahr 1402 brach der junge Adlige Anselme d'Ysalguier aus Toulouse zu einer mehrjährigen Forschungsreise nach Westafrika auf. Die goldreichen Königreiche Westafrikas waren damals durchaus bekannt. Anselme erreichte Gao, die Hauptstadt des Songhai- Reiches, 1405. Bereits im 8. Jahrhundert gegründet, hatte Gao schon eine lange, wechselvolle Geschichte hinter sich. Ein Fürst Gaos war unter den ersten Herrschern, die im 10. Jahrhundert bereits den islamischen Glauben annahmen. Diesen hatten Händler und Wanderprediger in Westafrika bekannt gemacht. Anselme d'Ysalguier kam zu einer Zeit der kulturellen Blüte und des Reichtums in die Hauptstadt. Es gefiel ihm dort, und er nahm die Arbeit an einem Wörterbuch in Arabisch, Tamaschek, Songhai, Französisch und Latein auf.

Auch gegenüber anderen Schönheiten Gaos war Anselme aufgeschlossen. Er verliebte sich sehr und heiratete eine junge Frau mit Namen Casais – obwohl er mit diesem Schritt gleichzeitig zum Islam konvertieren mußte. Casais stammte wie Anselme aus bester adliger Familie. Der Biograph de la Roncière wußte diesen Umstand zu würdigen: Die Abkunft der Braut lasse sich anhand diverser sudanesischer Chroniken nachprüfen. Auch war Casais reich, sie besaß Gold und Edelsteine im Überfluß. Acht Jahre lang lebte das Paar in Gao, auch eine Tochter wurde geboren. 1413 aber beschloß Anselme, mit seiner Familie nach Toulouse zurückzukehren, wohl aus Heimweh. Daß Anselme die Rückkehr plante, um seine Frau und seine Tochter dem „rechten Glauben“ zuzuführen, ist wohl ein frommer Schwindel der Biographen. Casais war zuerst nicht glücklich darüber, die Quellen betonen die enge und zärtliche Bindung zu ihrer westafrikanischen Familie. Auch Anselme hatte einen engen Freund, der ihn eindringlich bat zu bleiben. Trotzdem brach man auf, heimlich, um weitere Diskussionen zu vermeiden. Die Reiseroute nach Toulouse war lang und gefährlich: Schlechtes Wetter und räuberische Piraten gefährdeten ihr Leben. Doch trotz allem erreichten sie noch im gleichen Jahr französischen Boden.

In Toulouse wird die Tochter der Familie, Marthe, als fast überirdisches Wesen geschildert: schön, bezaubernd und doch gut und bescheiden. Täglich ging sie zur Kirche, nie versäumte sie eine Messe. Ein junges Mädchen, nigra sed formosa: schwarz aber schön, wie auch die Geliebte im Hohelied Salomos. Die schöne Marthe heiratete den Ritter Eugène de Faudoas, dem sie eine reiche Mitgift mit in die Ehe brachte. Der junge Mann war achtzehn, die Braut sechzehn. Das Paar hatte einen Sohn, Eustache, wegen seiner dunklen Farbe le morou, der Mohr, genannt. Eustache de Faudoas lebte auf Schloß Savenès in der Nähe von Verdun-sur-Garonne, in die lokale Geschichte ging er als bemerkenswerter Ritter und Kriegsmann ein.

Anselme und Casais hatten noch zwei in Frankreich geborene Töchter, beide traten nach dem Tod ihrer Verlobten noch in jungen Jahren in ein Kloster ein. Damit endet die Geschichte der Familie d'Ysalguier. Casaäs überlebte ihren Mann um etliche Jahre und starb in hohem Alter, geachtet als Witwe eines Adligen und ehemaligen Parlamentsangehörigen.Eva Verma

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