: Eine Kalaschnikow für 1.000 Bunte
Mecklenburgs Innenminister: „Vermutungen des Konsuls, daß Waffenverkäufe auch in Mecklenburg-Vorpommern möglich sein könnten, kann ich nicht bestätigen...“ ■ Von Sabine Heimgärtner
Schwerin. Innenstadt Schwerin, eine Bar: Spielautomaten, Disco- Musik, Billardtische, viele Jugendliche. Ein Tag, an dem sich Nachrichten über die deutsche Rüstungshilfe an Saddam Hussein überschlagen. Eine kleine Meldung am Rande scheint weniger interessant: Das sowjetische Generalkonsulat in Rostock gibt zu, daß russische Soldaten in Mecklenburg-Vorpommern Gewehre und Munition an die Bevölkerung verkaufen. Der mecklenburgische Innenminister, Georg Diederich (CDU), sagt: „Vermutungen des Konsuls, daß Waffenverkäufe auch in Mecklenburg-Vorpommern möglich sein könnten, kann ich nicht bestätigen ... Wir achten mit großer Sorgfalt und mit Argwohn auf alle Aktivitäten.“
Auf die Aktivitäten in der Schweriner Bar achten die Behörden offensichtlich nicht. Am Abend zuvor hätte man dort leicht eine sowjetische Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow für 1.000 Mark kaufen können. Den Kontakt vermittelte ein Ortskundiger, früher Soldat bei der NVA. In der Tanzbar, so verriet er, sei der Handel mit Waffen aus sowjetischen Beständen „schon lange kein Geheimnis mehr“. Polizei und Innenbehörden hatten aber immer wieder betont, illegale Geschäfte mit UdSSR-Waffen gebe es allenfalls in Berlin.
Im Getümmel Jugendlicher ist in der Bar der 28jährige Sowjetbürger Fjodor anzutreffen, der bis 1984 bei der sowjetischen Armee in einer Schweriner Garnison gedient hat. Fjodor kommt aus Sibirien, und weil er dort fast nichts verdient, ist er vor einigen Jahren wieder nach Schwerin zurückgekehrt. Jetzt arbeitet er mit einer befristeten Arbeitserlaubnis als Elektriker. Fjodor ist oft in der Bar, repariert dort hin und wieder Lampen und Geräte und ist beliebt. Geschäftsführer Peter: „Der ist ein feiner Kerl, besser als die Hottentotten, die nichts arbeiten und nur saufen.“
Die Situation entkrampft sich. Nach zweistündigem Plaudern bei Bier und Schnaps ist das Thema da: Der Kontaktmann ist nicht abgeneigt, eine Waffe zu vermitteln. Fjodor erzählt, Waffenhandel sei hier nichts Besonderes. Indirekt bestätigt er Gerüchte über den blühenden Handel mit Waffen aus sowjetischen Beständen in der Ex-DDR.
„Mindestens 20 Leute im Saal, die eine Armeepistole besorgen könnten“, sagt Fjodor. Er selbst habe neulich Gewehrmunition mit tausend Schuß für einen westdeutschen Kunden herangeschafft. „War kein Problem“.
Die Übergabeverhandlungen: Käufer soll ein angeblicher Hamburger Freund sein, der die Waffe für eine Versteigerung dringend am übernächsten Tag brauche. Fjodor: „Dann Minimum 3.000 Mark. Das Risiko ist sehr groß.“ Er habe zwar zwei Freunde, die Waffenverwalter in einer Schweriner Kaserne sind. Aber: Der Offizier, der ihm die Kalaschnikow aushändigen würde, „muß damit rechnen, an die Wand gestellt zu werden“. Das Verhandlungsergebnis schließlich: 1 000 Mark. Fjodor räumt ein, im „Direktverkauf“ am Kasernenzaun reichten eventuell 400 Mark, aber er will schließlich auch etwas verdienen an dem Deal. Übergabe „unter vier Augen“. Treffpunkt in der Bar am nächsten Abend.
Weniger als 24 Stunden später erwartet Fjodor die Interessenten in der Eingangshalle der Bar. Doch sie erklären, daß ihr Hamburger Freund am Kauf diesmal nicht interessiert sei. Fjodor grinst. Daß die Kalaschnikow ganz in der Nähe ist, daran besteht kein Zweifel. Sabine Heimgärtner/dpa
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