Eine Frisur und ihre Symbolik: Reclaim the Zopf!
Der Zopf steht für Heimatverbundenheit und traditionelle Weiblichkeit. Überlassen wir diese Frisur nicht denen, die sie reaktionär nutzen wollen.
![eine Frau mit einem langen braunen Zopf eine Frau mit einem langen braunen Zopf](https://taz.de/picture/2052711/14/1607662.jpeg)
Bei der österreichischen Kaiserin Elisabeth reichten sie fast bis auf den Boden, Judy Garland hüpfte mit ihnen durch Oz, und bei Pippi Langstrumpf standen sie rebellisch in der Luft: Zöpfe. Geflochten wird das Haar seit der Steinzeit – ein Trend, wie er älter nicht sein könnte. Während der Zopf in vielen Regionen der Welt sowohl von Männern als auch von Frauen getragen wurde und wird, entwickelte er sich in Europa vor allem in den letzten Jahrhunderten zur rein weiblichen Frisur.
Es trugen ihn allerdings eher Mägde und andere Frauen niederer Stände – bis in die High Society schaffte es der Zopf nur sehr selten. Noch heute gehören die klassisch geflochtenen Zöpfe in vielen Regionen zur Tracht dazu. Seit den nuller Jahren ist der Zopf in verschiedenen Varianten aber auch wieder auf Laufstegen, roten Teppichen und im Alltag zu sehen. Denn: Praktisch ist er ja. Schnell gemacht, hält den ganzen Tag und sieht mit einmal drüber schlafen sogar noch besser aus.
Und außerdem beinhaltet ein Zopf eben auch: lange Haare – und damit ein stereotypes Zeichen von Weiblichkeit. Das reicht vom heiligen Satz Langhaariger, bevor die Schere ansetzt, „Ich möchte noch einen Zopf machen können“, bis hin zur Annahme, dass „richtige Mädchen“ nun mal lange Haare haben, und die artigsten von ihnen tragen Zöpfe.
Im Nationalsozialismus klang das so: „Arisch ist der Zopf – jüdisch ist der Bubikopf.“ Und so trugen zahlreiche Frauen im Bund Deutscher Mädel Mittelscheitel und streng geflochtenes Haar zu beiden Seiten des Kopfes. Keine andere Haarpracht vermittelt Tradition, Natürlichkeit und Gehorsamkeit deutlicher. Diesem Brauch offenbar folgend, feiert der Zopf – oder wahlweise die zwei bäuerlichen Zöpfe – ein Comeback: bei den Frauen der Identitären Bewegung.
Junge rechte Frauen nutzen vor allem Social Media zur Verbreitung ihrer Ideologie. In YouTube-Videos sitzen sie scheinbar ungeschminkt und mit fein geflochtenen Haaren auf grünen Wiesen und erzählen von ihrer ethnopluralistischen Welt. Die rechtsextreme identitäre Frau von heute ist natürlich, weiblich und vor allem unschuldig – das soll uns diese Inszenierung vermitteln. Auf Instagram sind Frauen der Identitären Bewegung ebenfalls aktiv und verbreiten subversiv und mit Weichzeichner-Filter die Ästhetik der neuen Rechten. Auch hier immer wieder dabei: der Zopf als Zeichen für Treue und Reinheit.
Der Zopf muss gerettet werden. Er kann doch auch nichts dafür. Und wie sollte man diese mit Traditionsromantik aufgeladene Propaganda besser kaputtmachen können, als ihr eines der wichtigsten Identifikationssymbole zu nehmen? Reclaim the Zopf! Überlassen wir diese tolle Frisur nicht denen, die sie als Botschaft für unmenschliche Politik nutzen wollen. Flechten wir uns wieder die Haare und ziehen den Zopf aus diesem eklig-nationalsozialistischen Sumpf, in den er gerade sehr tief eingetaucht wird. Gestalten wir diesen Look anders: Geben wir dem Zopf eine neue Bedeutung – ganz ohne Zeichen von Heimatverbundenheit und Metapher der perfekten Weiblichkeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen