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Eine Frage der Strategie

■ Anna Tibaijuka vom UN-Zentrum für Wohnungs- und Siedlungswesen sieht die Kommunen als zentrale Akteure im Nachhaltigkeitsprozess

Anna Kajumulo Tibaijuka ist Geschäftsführende Direktorin des UN-Zentrums für Wohnungs- und Siedlungswesen in Nairobi. Die promovierte Agrarwissenschaftlerin aus Tansania ist mit der Fortsetzung des in Istanbul 1996 begonnenen Habitat-Prozesses betraut. Mit der taz-bremen sprach sie am Rande der 2. internationalen Konferenz „Business and municipality – new partnerships for the 21st Century“ im Bremer Konferenzzentrum.

taz: Was sind die zentralen Ziele des Instanbul-Prozesses?

Anna Tibaijuka:Wir haben uns in Istanbul auf zwei Hauptziele geeinigt: Angemessene Behausung für alle – also keine Hütten oder so etwas – und nachhaltige, humane Städte in einer Welt, die von Verstädterung geprägt ist.

Was sind die Kriterien für diese Nachhaltigkeit?

Wir müssen für eine städtische Umwelt sorgen, in der sich auch in Zukunft noch Menschen niederlassen können. Denn wir müssen uns darüber im Klaren sein: Die Leute sind unterwegs in die Städte. Deshalb müssen wir Siedlungen so konzipieren, dass sie auch für die nächsten Generationen noch lebenswert sind.

Sehen Sie schon Fortschritte seit dem Istanbul-Gipfel von 1996?

Ich glaube, der Zusammenhang zwischen Siedlungen und ihrer Umwelt wird heute viel ernster genommen. In dieser Hinsicht war die Istanbul-Konferenz ein Meilenstein. Was die realen Verhältnisse in den Städten angeht – das ist eine größere Herausforderung. Deshalb sind wir jetzt hier in Bremen: Um zu sehen, wie die Bremer ihre Probleme lösen. Es gibt schon Städte, die großartige Fortschritte gemacht haben. Zum Beispiel Barcelona: Da wurde die Altstadt erfolgreich erneuert – das ist auch ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Aber natürlich gibt es auch Städte, die vom Ansturm der Menschen überrannt werden und nur versuchen, sie irgendwie unterzubringen.

Städte wie Bremen kämpfen ja im Gegenteil mit dem Einwohnerschwund. Hat es Sinn, so unterschiedliche Probleme auf einer Konferenz zu diskutieren?

Das ist ein interessanter Aspekt: Viele Städte im Norden sind heute sogar mit dem Problem verfallender Innenstäde konfrontiert. Das ist ein schwerer Rückschlag unter Nachhaltigkeits-Gesichtpunkten. Im Süden dagegen sind die Wachstumsraten enorm. Da ist gar kein Raum für Planung. Die Siedlungen entstehen spontan – Slums. Das ist die Herausforderung: Wenn wir die Istanbul-Erklärung umsetzen wollen, müssen wir das Wachstum bremsen, um Planungsspielräume zu schaffen und die notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Das ist gleichzeitig der Raum, um die Armut zu bekämpfen.

Können Kommunen den Nord-Süd-Dialog organisieren?

Natürlich. Die Kommunen sind doch gefordert bei der Schaffung guter Lebensbedingungen. Der Rio-Prozess will die Nachhaltigkeit global befördern, der Istanbul-Prozess lokal. Wenn es darum geht, Bremen lebenswert zu machen, ist doch der Bremer Bürgermeister gefragt. Auf globaler Ebene können wir uns austauschen: Wie macht Ihr das hier? Wir können voneinander lernen. Aber gehandelt wird vor Ort.

Was können die Städte des Nordens aus dem Süden lernen?

Im Süden gibt es große Armut. Trotzdem funktionieren die Städte irgendwie. Das hat viel mit der Solidarität der Menschen untereinander zu tun. Das ist ein Erbe, das wir bewahren müssen. Wenn Sie in eine Stadt des Nordens schauen, ist die Lebensqualität zwar hoch, aber was die sozialen Beziehungen angeht, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten.

In Bremen ist die Umlandwanderung ein großes Problem – mit Folgen wie finanziellen Verlusten, Infrastrukturproblemen und Verkehrszuwachs. Ist diese Suburbanisierung weltweit ein Problem?

Ja. Meistens liegt das daran, dass es die Stadt nicht geschafft hat, sich den Bedürfnissen der Menschen anzupassen oder daran, dass die Menschen mehr Geld haben und sich ein großes Haus mit Garten wünschen. Aber normalerweise kehrt sich dieser Prozess irgendwann um. Die Leute kehren zurück in die Stadt, wenn es gelingt, sie wieder attraktiver zu machen. Diese Dynamik ist ebenso von wirtschaftlichen wie von sozialen Faktoren geprägt und es ist eine Frage der Strategie, ob es gelingt, die Leute zurückzuholen.

Leidet Nairobi unter der Suburbanisierung?

Ja, rings um die Stadt gibt es hunderte von Slumgebieten, jeder Vierte lebt darin. Aber sie drängen in die Innenstadt, weil sie hoffen, auf der Straße vielleicht ein kleines Geschäft zu machen. Die Wohlhabenden wiederum meiden das Geschäftszentrum und leben in abgeschlossenen Vorstädten. 80 Prozent der bewohnten Fläche gehört mittlerweile zu solchen „restricted areas“, in denen nur zwanzig Prozent der Bevölkerung leben. Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil Nairobi mitten in Kenyas fruchtbarstem Ackerland liegt. Der Flächenverbrauch beeinträchtigt also direkt die Ernährung in einem Land, in dem gutes Ackerland rar ist. Fragen: Jan Kahlcke

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