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Eindeutige Mehrheit

■ US-Senat ratifiziert Chemiewaffen-Abkommen doch

Washington (taz) – Der US-Senat hat am Mittwoch abend mit überraschend deutlicher Mehrheit das Internationale Chemiewaffen- Abkommen ratifiziert. 74 Senatoren stimmten für das Abkommen, 26 dagegen. Internationale Verträge muß der US-Senat mit einer Zweidrittelmehrheit billigen. Die Demokratische Partei von Präsident Clinton verfügt im Senat über 45 Mandate; damit stimmten auch 29 Senatoren der Republikaner für den Vertrag, obwohl der einflußreiche Vorsitzende des Außenpolitischen Senatsausschusses, der Republikaner Jesse Helms, bis zuletzt gegen die Ratifizierung opponiert hatte.

Das Chemiewaffen-Abkommen tritt am 29. April in Kraft. Es soll die Produktion, Lagerung, Verbreitung und den Einsatz von Chemiewaffen unter Strafe stellen. Dazu ist eine Reihe von weitgehenden Kontrollmechanismen vorgesehen. Das Abkommen war 1993 nach zehnjährigen Verhandlungen zur Unterzeichnung ausgelegt worden. Bisher ist es von 164 Staaten unterzeichnet worden. Nicht dazu gehören Irak, Libyen, Syrien und Nordkorea, die Chemiewaffen besitzen. Nur 65 Staaten haben den Vertrag bislang ratifiziert, darunter Deutschland, nicht aber China und Rußland. Nach Angaben im US-Senat sind die USA und Rußland im Besitz von mehr als 90 Prozent aller Chemiewaffen in der Welt.

Das Abkommen wäre auch ohne die Ratifizierung durch die USA in Kraft getreten. Das war eines der Hauptargumente der Befürworter des Vertrages im US-Senat: Den USA würde ohne Zustimmung die Möglichkeit genommen, an der Umsetzung der Kontrollmechanismen mitzuwirken. Ab 6. Mai entscheiden die Mitglieder des Vertrages über die Zusammensetzung eines Exekutivrates, der entsprechende Regeln entwickeln soll. Die Gegner des Abkommens um Jesse Helms kritisierten insbesondere, daß der Vertrag die USA verpflichte, fremde Inspektoren ins Land zu lassen. Das Land hat bereits begonnen, seine Chemiewaffenbestände zu vernichten. Außerdem, so die Vertragsgegner, müßten die USA mit dem Vertrag technische Informationen zum Schutz vor Chemiewaffen an andere weitergeben. Die Vertragsgegner versuchten vergeblich, eine Zustimmung der USA von einer Ratifizierung durch Rußland abhängig zu machen.

Die Debatte erreichte einen Wendepunkt, als der Führer der republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat, Trent Lott, sich am Mittwoch für das Abkommen aussprach. Zuvor hatte Präsident Clinton Lott in einem Schreiben versichert, er würde von dem Vertrag zurücktreten, falls andere Länder ihn benutzen sollten, um an Material zum Bau von Chemiewaffen zu gelangen, oder falls er die Vereinbarungen gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen unterhöhlen sollte.

Der Chemiewaffen-Vertrag war noch unter den Präsidenten Reagan und Bush verhandelt worden. Erst vor wenigen Tagen hatte sich Helms bereit erklärt, den Vertrag überhaupt zur Abstimmung kommen zu lassen. Zuvor hatte das Weiße Haus einer alten Forderung Helms' nachgegeben und eine Reorganisation des US-Außenministeriums angekündigt. Andreas Rostek

Kommentar Seite 10

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