: Ein wenig zu viel der Ehre
betr.: „Friedliche Kollateralschäden“, taz vom 2./ 3. 10. 99
Jetzt diffamiert auch Ihr endlich die westdeutsche Friedensbewegung als aus der DDR gesteuert!
Wenn Prof. Wilke, Leiter des besprochenen Forschungsprojektes, wirklich gründlich forschen will, dann kann man ja zum Beispiel die Kontoauszüge der „Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen e.V.“ auswerten und nachsehen, woher die Hunderttausende von Mark kamen, mit der die „Pressehütte“ gekauft wurde: Spenden und zinslose Darlehen. Aus dieser Pressehütte sind auch die auf dem Foto blockierenden jungen Freunde, die ihr Studium unterbrachen, ihre Karriere opferten, um sich dem Wahnsinn des atomaren Wettrüstens entgegenzusetzen. Wurden die Anwalts- und Prozesskosten der Tausenden, die wegen Blockierens Strafprozesse auf sich nahmen, aus der DDR finanziert? Klammheimlich wurde alles dem Steuerzahler untergeschoben.
Als Genosse und Leser darf ich um eine kritischere und differenziertere Journalistik bitten. Prof. Peter Sulzer, Gleisweiler
Es mag ja sein, dass Klaus Mannhart irgendwann Anfang der 80er behauptet hat, dass von rund 180 Organisationen der westdeutschen Friedensbewegung nur fünf nicht von der DKP kontrolliert würden. Stimmen tut es jedoch nicht, worauf Martin Ebner ruhig hätte hinweisen können. Nicht von der DKP kontrolliert wurden zum Beispiel Ohne Rüstung Leben, die Gustav-Heinemann-Initiative, die gesamten Graswurzelwerkstätten und -gruppen, die Bildungs- und Begegnungsstätte Wustrow, die Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen, der Verein für Friedenspädagogik in Tübingen, pax christi, die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, die Zusammenschlüsse der evangelischen und katholischen KDV-Berater, der Internationale Versöhnungsbund, die Friedensgruppen der Grünen u.v.a.m.
Für Recherchen außerhalb der Archive der SED empfehle ich das Archiv des Vereins für Friedenspädagogik in Tübingen und das archiv aktiv in Hamburg. Vielleicht finden sich ja auch bei den Grünen noch die einen oder anderen Unterlagen aus ihrer pazifistischen Zeit ...
Ute Finckh, Berlin
Selten habe ich in der taz einen solchen Blödsinn gelesen. Martin Ebner hat nicht nur kritiklos die damalige Lüge der Nato von der „Nachrüstung“ übernommen, die die Pershing II und Cruise Missile angeblich darstellten, sondern auch die damals schon verbreitete Lüge, die Friedensbewegung sei vom Osten gesteuert worden. Aus den geheimen Pentagon-Papieren von damals geht eindeutig hervor, dass die USA tatsächlich einen „auf Europa begrenzten Atomkrieg“ planten, um mit dem Problem Sozialismus ein für allemal fertig zu werden. Die Menschen, die sich in der Friedensbewegung engagierten, kamen aus allen politischen Lagern. Sie waren entweder sauer über die Lüge, hatten die mit immer neuen Argumenten begründete Hochrüstung endgültig satt oder hatten schlichtweg Angst vor einem in greifbare Nähe gerückten Krieg. Sie waren emanzipiert, mit eigenem Denkvermögen ausgestattet und nicht etwa willenlose Handlanger. Sie gingen nicht auf die Straße, weil die DDR im Hintergrund die Strippen zog. Dazu hatte dieser Staat nämlich weder die Autorität noch die ideologische Überzeugungskraft. Wenn der Autor so etwas als Wahrheit verkauft, denkt er genauso schwarzweiß, wie er es den „SED-Apparatschiks“ vorwirft. Dass die Friedensbewegung der DDR gelegen kam, war nur logisch und verständlich – ihr allerdings die Autorenschaft dafür zuzubilligen, ist wohl doch ein wenig zu viel der Ehre. [...] Gabriele Kentrup, Münster
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