■ SPD und Grüne einigen sich auf AKW-Laufzeiten: Ein wachsweicher Kompromiss
Die lang herbeigestrittene Einigung steht nun kurz bevor: SPD und bündnisgrüne Minister im Bundeskabinett werden im Atomausstiegsgesetz die Laufzeit der deutschen AKWs auf etwa 30 Jahre festlegen. Das ist ein Kompromiss: Die Grünen verlieren dabei ihr Gesicht nicht ganz – aus ihrem Imagetief wird ihnen dies auch heraushelfen.
30 Jahre sind zwar eine lange Zeit, aber besser als überhaupt keine Begrenzung. Nach der sich abzeichnenden Regelung würden die ersten beiden AKWs in etwa drei Jahren abgeschaltet, das letzte in etwa 20 Jahren. Jürgen Trittin und den Bundesgrünen blieb anscheinend nichts anderes übrig, als dieses Angebot der SPD anzunehmen. Denn die hat ein Gesamtpaket geschnürt. Darin ist neben der Restlaufzeit auch das Atomgesetz drin, mit Endlagern, dem Verbot neuer Atomanlagen, der Wiederaufarbeitung und anderem. So lautete für die Grünen mal wieder die Alternative: entweder alles wachsweich oder gar nichts.
Und vor allem: Die Wirtschaft darf nicht zu sehr geärgert werden. Zu groß ist der Einfluss der Stromkonzerne und der betroffenen Gewerkschafter in der SPD. Zu sehr braucht Schröder noch ein paar publikumswirksame Termine beim Bündnis für Arbeit mit den Bossen. Also muss Trittin nun der Parteibasis und den teilweise immer noch damit identischen Anti-Atom-Initiativen erklären, warum es noch viel länger dauert mit dem Abschalten, als von ihm selbst und der Parteispitze noch vor kurzem vertreten. Auf die Erklärung darf man gespannt sein. Da heißt es „Rudern, grüne Macher!“ Egal, wie gut es gelingt, den Beschluss zu verkaufen, die Grünen werden öffentlich wieder einmal als nicht sehr durchsetzungsfähig dastehen – auf einem Politikfeld, das unbestreitbar eines ihrer imageträchtigsten ist.
Mit der Einigung auf 30 Jahre Laufzeit mindert die Bundesregierung aber auch abseits aller Imagefragen ein wichtiges Drohmittel für die Konsensgespräche mit den AKW-Betreibern. Die wollen ihre hochprofitablen Reaktoren weiterlaufen lassen. Dabei kann Trittin die Konzerne mit vielen Auflagen ärgern, wenn sie und die Regierung nicht zu einer Einigung kommen. Aber auch nur einen einzigen Reaktor endgültig abschalten kann er bis zur nächsten Bundestagswahl nun nicht mehr. Und nach der Wahl sind die Konzerne den giftgrünen Minister los, hoffen sie. Wenn sie irgend kann, wird die Industrie so lange die grünen Sticheleien ignorieren. Das ist die Gefahr nach dem 30-Jahre-Kompromiss.
Reiner Metzger
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