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■ Das Ende der Ära WedemeierEin verspäteter Rücktritt

Fällig war der Rücktritt von Klaus Wedemeier eigentlich schon im September 1991, nachdem die SPD bei der Bürgerschaftswahl in einem sensationellen Absturz von 50,5 auf 38,5 Prozent getrudelt war. Doch damals fand sich in der Partei niemand, der es gewagt hätte, offen gegen Wedemeier anzutreten. Und der Bürgermeister selber verstand es, sehr schnell mit der Ampelkoalition einen Ausweg aus dem Wahldesaster zu weisen.

Auch aus persönlichen Gründen war Wedemeier vor vier Jahren noch nicht reif für den Rücktritt. Nach nur sechs Jahren im Amt des Präsidenten des Senats fehlten ihm noch zwei Jahre zum Erreichen der Pensionsberechtigung. Außerdem stand die Bremer Regentschaft im Bundesrat bevor. Eine Aufgabe, die der stets an repräsentativen Rollen sehr interessierte Wedemeier nicht auslassen wollte. Im Pressedienst des Senats war damals stolz zu lesen, daß der Bundesratspräsident zuweilen die Ehre hat, den deutschen Bundespräsidenten zu vertreten.

Die politische Karriere des 1944 in Bayern geborenen Wedemeier begann 1970, als er zum Vorsitzenden der Bremer Jusos gewählt wurde. 1976 folgte der Vorsitz im einflußreichen Bremer SPD-Unterbezirk Ost. Bereits seit 1971 saß der gelernte Groß- und Einzelhandelskaufmann als Abgeordneter in der Bürgerschaft und der Finanzdeputation. 1979 folgte die Wahl zum SPD-Fraktionsvorsitzenden.

Besonders in dieser Funktion erwarb sich Wedemeier den Ruf eines „Machers“, der auch in Detailfragen über genaue Sachkenntnis verfügt und das machtpolitische Instrumentarium zu bedienen versteht. Den damaligen Bürgermeister Hans Koschnick kritisierte er insbesondere für dessen fehlende Anstrengungen, die galoppierende Bremer Staatsverschuldung zu stoppen.

1985 hängte Koschnick den Bremer Job schließlich resigniert an den Nagel und wandte sich der Außenpolitik zu. Es folgte eine harte Auseinandersetzung um die Nachfolge. Denn neben dem von Koschnick selber als Nachfolger vorgeschlagenen Wedemeier kandidierte auch der damalige Sozialsenator Henning Scherf und stieß damit auf überraschend große Zustimmung innerhalb der Partei.

Erst nach wochenlangem Hin und Her in den Parteigremien stand mit Klaus Wedemeier der neue Präsident des Senats fest. Zwei Jahre später gewann die SPD unter seiner Führung zum letzten Mal die absolute Mehrheit bei Bremer Bürgerschaftswahlen. Grund dafür war damals allerdings weniger die programmatische und personelle Stärke der SPD als die Schwäche der CDU, die mit ihrem Spitzenkandidaten Reinhard Metz bei ganzen 23,4 Prozent landete.

Nach dieser Wahl ging es steil abwärts mit der Bremer SPD. Immer tiefer verstrickte sich die Partei in internen Intrigen, und der Senat machte immer öfter ein schlechtes Bild. Nach dem Scheitern des Koschnick-Nachfolge-Konkurrenten Scherf hatte zwar kein Genosse mehr den offenen Machtkampf mit Wedemeier probiert, dafür aber geriet die SPD in eine immer stärkere innere Lähmung. Daran konnten auch Wedemeiers Erfolge bei der Durchsetzung bremischer Interessen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und beim Kampf um den Erhalt des kleinsten Bundeslandes nach der deutschen Vereinigung nichts ändern.

Die Quittung folgte im September 1991 mit dem Absturz um 12-Prozentpunkte bei der Bürgerschaftswahl. Wie es dazu kommen konnte, ist in der SPD anschließend nie aufgearbeitet worden. Eine eigens dafür eingesetzte Partei-Kommission verlief im Sand, und personelle Konsequenzen blieben bis auf den Rücktritt der damaligen Parteivorsitzenden Ilse Janz aus.

Und je mehr Klaus Wedemeier innerhalb der Ampel-Koalition in die Rolle des schlichtenden Vaters der zornigen Kinder FDP und Grüne geriet, umso weniger Kraft fand seine Partei für die überfällige Erneuerung. Ase

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