Ein symbolischer Gegenkandidat: Zoff beim Bayerischen Rundfunk
Im ARD-Sender wehrt sich eine Handvoll Rundfunkräte gegen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der neuer Intendant des Bayerischen Rundfunks werden soll.
BERLIN taz | Jetzt hat Ulrich Wilhelm, Regierungssprecher von Angela Merkel und zu eigenen Meinungen fähiger CSU-Politiker, bei seiner Wahl zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks (BR) doch noch ein bisschen Konkurrenz: Sein Gegenkandidat heißt Rudolf Erhard und ist im Gegensatz zu Wilhelm ein waschechter BR-Mann. Außerhalb Bayerns ist Erhard eher wegen seines 2008 erschienenen Buchs "Edmund Stoiber - Aufstieg und Fall" bekannt.
Eine Abrechnung mit dem langjährigen Landesvater sei das Werk aber keinesfalls, darauf hat der Landtagskorrespondent des Bayerischen Rundfunks stets Wert gelegt - auch wenn er darin Pikantes über das Familienleben des CSU-Politikers andeutete.
Wie es genau darum bestellt war, dürfte auch Wilhelm wissen, schließlich diente er Stoiber nach einem kurzen Gastspiel in der BR-Chefredaktion ab 1991 für über ein Jahrzehnt, zunächst im Bayerischen Innenministerium, später in der Münchner Staatskanzlei. Seit 2005 ist Wilhelm Sprecher der Bundesregierung.
Unterstützt wird Erhards Kandidatur von den VertreterInnen der Grünen, der Freien Wähler, des DGB und des Schriftstellerverbands im BR-Rundfunkrat. Das Gremium soll eigentlich bereits Anfang Mai zur Wahl schreiten, jetzt ist durch die symbolische Kampfkandidatur aber die bislang so geschmeidige Regie aus dem Tritt geraten.
Denn die hinter Erhard stehenden RundfunkrätInnen kritisieren in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung das "völlig intransparente Verfahren bei der Intendantenwahl des Bayerischen Rundfunks, das ganz offenkundig gezielt dazu ausgelegt ist, einen bestimmten Kandidaten ins Amt zu hieven".
Noch dazu einen, für dessen "Kandidatur bereits in diversen Kungel- und Klüngelrunden der Boden bereitet wurde", kritisieren die Landtagsabgeordneten Claudia Jung (Freie Wähler) und Ludwig Hartmann (Grüne) sowie die DGB-Vertreterin im BR-Rundfunkrat Heide Langguth und der vom Schriftstellerverband in das Anstaltsgremium entsandte Robert Stauffer.
Wenn der Sprecher der Bundesregierung neuer BR-Intendant werde, sei dies eine "Bankrotterklärung für die gesetzlich geforderte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks".
Dass sieht die der Vorsitzende des BR-Rundfunkrats erwartungsgemäß ganz anders: "Ich verwahre mich auch im Namen des Rundfunkrats gegen die Diktion, die Partei X oder Y schlage einen Kandidaten für die Intendantenwahl vor", erklärte Bernd Lenze.
Es sei "verwunderlich, in welchem Ausmaß die Frage der Wahl eines neuen Intendanten des Bayerischen Rundfunks im Landtag zu einem parteipolitischen Thema gemacht wird", zahlreiche Mitglieder hätten sich ihm gegenüber "auf Grund der Diskussion zum Teil bereits deutlich empört gezeigt".
Gänzlich unpolitisch ist indes auch Lenze nicht, der heute die Handelskammern im BR-Gremium vertritt: Er war lange Jahre Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr und dort unter anderem - Pressesprecher.
Der so genannte Ältestenrat des BR-Rundfunkrats wird am Freitag den konkreten Wahltermin festsetzen. Während bislang der 6. Mai favorisiert wurde, gehen Insider jetzt davon aus, dass es wegen des Zoffs im Rundfunkrat doch etwas später werden könnte.
Am Ergebnis dürfte das allerdings wenig ändern: 31 Mitglieder des Gremiums haben laut Sendermitteilung einen Kandidatenvorschlag gemacht. Zieht man die vier Rundfunkrätinnen ab, die Erhard unterstützen, macht das 27 Vorschläge für Wilhelm. Der BR-Rundfunkrat hat insgesamt 47 Mitglieder, und damit auch gar nichts schief geht, genügt zur Wahl die einfache Mehrheit.
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