: Ein lustvoller Weg aufs Schafott
Entsetzlich und rechtschaffen zugleich: Jens Paarmann inszeniert Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ als Schauspielsolo mit Hans Christoph Michel im Monsun Theater und wünscht sich Dialoge mit dem Publikum
„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.“ So beginnt Heinrich von Kleist seine Novelle, die den radikalen Wandel seiner Titelfigur beschreibt. Kohlhaas, ein Muster eines Staatsbürgers, wird zum furchtbaren Gewalttäter. Grund: Ihm wird von einem Vertreter der Obrigkeit übel mitgespielt.
„Brandheiß“ findet Regisseur Jens Paarmann dieses Thema. Ein Mann, der sein Recht in die eigene Hand nimmt. Allzu direkte Vergleiche mit deutschem Terrorismus des 20. Jahrhunderts weist Paarmann allerdings von sich. Er will mit dem Theaterabend im Monsun Theater erst einmal die kleistsche Geschichte erzählen. Eine analytische Falluntersuchung mit sinnlichen Mitteln. Das Publikum sei dann schon in der Lage Zeitbezüge herzustellen.
Mit dem Schauspieler HansChristoph Michel von der Hamburger Theater Manufaktur hat sich der Regisseur auf das Abenteuer eingelassen, die sperrige Geschichte in den Griff zu bekommen. Entstanden ist ein Ein-Mann-Stück, das rund 100 Minuten dauert. Der Darsteller fungiert dabei als moderierender Erzähler, der immer mehr in die Geschichte hineinschlüpft. Anspruch der Produktion ist es, eine Dialog-Situation mit dem Publikum herzustellen. Die Schachtelsätze der Schriftfassung seien auf der Bühne kein Hindernis, meint Michel: „Gelesen ist die Sprache kompliziert, gesprochen wird sie leichtgängig.“
Seit August laufen die Proben, mit Unterbrechungen. Auch Schauspieler und Regisseur haben sich im Dialog dem Stoff angenähert. „Was hat den Mann dazu gebracht auszurasten?“ Michel bekennt sich dazu, zunächst im Spiel die Selbstherrlichkeit Kohlhaas in den Hintergrund gedrängt zu haben. Damit erntete er den Einspruch von Regisseur Paarmann: „So geht es nicht.“ Und genau hierin liegt auch der kleistsche Konflikt: Konsequentes Engagement für die eigene Sache ist gut. Aber kann man die Gesellschaft haftbar machen, für ein Unrecht, das aus persönlichem Zwist entstanden ist?
Vor zwei Jahren hat Michel im Monsun Theater schon einmal eine Lesung der Novelle bestritten. Die dauerte sechs Stunden. In den Pausen kam es im Publikum spontan zu Debatten: für oder gegen Kohlhaas. Solch eine Wirkung wünschen sich die Theatermacher auch für die jetzt anstehende Inszenierung. Das Monsun Theater hat als Produktionspartner die Probenräume gestellt und die Organisationsarbeit übernommen.
Die Hamburger Theater Manufaktur gibt es seit 1996. Mit Stücken wie Der Kuss der Spinnenfrau und Schischyphusch hat das Ensemble bereits über 150 Gastspiele in Norddeutschland gegeben. Michael Kohlhaas ist die erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Jens Paarmann, der im Januar auch wieder mit seinem Schwitters-Abend im Monsun zu Gast sein wird.
CHRISTIAN RUBINSTEIN
Premiere: Donnerstag, 7. November. Weitere Aufführungen: 9. + 10. November sowie 13. – 15. Dezember, 20 Uhr, Monsun Theater, Friedensallee 20
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