: Ein großer Schnitt für die Großen
■ Ein Zwangskredit für die Banken, die Teilung Deutschlands und höchst ungleiche Armut: Am 21.6.1948 war der Stichtag für die Währungsreform / Die KPD wußte schon Wochen zuvor, daß das neue Geld in einem Frachter in Bremerhaven lag
Rudi Prahm, heute Aktivist in der Friedensbewegung, saß an jenem Sonntag seit acht Uhr morgens in einem Zimmer der Schule Nürnberger Straße in Findorff und kassierte Geld ein. Je 600 Reichsmark nahm der damalige Junglehrer, der zu diesem Amt verpflichtet wurde, von den registrierten BewohnerInnen der umliegenden Straßen entgegen. „Die etablierteren Kollegen gaben das neue Geld aus, das war für die wohl angemessener.“
Prahm: „Die Leute kamen und guckten das Geld an, das war ein ganz schlechter Druck, die Farben so bläulich-rötlich, so in Bonschen-Farben. 'Damit kommen wir ja nicht weit‘, haben sie gesagt. Die wußten ja noch nicht, daß die Warenhäuser in der Nacht umdekorieren würden und am nächsten Tag Berge von Waren in den Schaufenstern erscheinen würden. Daß die kleinen Händler ihre Waren versteckt hatten, war ja klar, aber bis heute ist mirt unklar geblieben, woher Karstadt
plötzlich ein volles Lager hatte. “
Einen 20-DM-Schein und zwei Zehner gab es pro Kop. Für die 600 Reichsmark galt ein Umtauschsatz von 1:10 - die restlichen zwanzig D-Mark wurden auf einem Sparbuch oder Konto eingezahlt. „Das war die ganz große Chance des kapitalistischen Bankwesens, sich zu sanieren“, erzählt Prahm, „denn so verfügten die westdeutschen Banken und Sparkassen schlagartig über ein Drittel des gesamten D-Mark -Bestandes.“
Diese Guthaben waren bis August '48 gesperrt. Bis zur Freigabe gab es zwei Gehaltzahlungen - „deswegen haben viele Leute das nicht abgehoben - ein Zwangskredit, den das ganze Volk geben mußte.“ Prahm, der 28 seiner 40 D-Mark für eine neue Fahrradbereifung ausgab: „Die Währungsreform war die Geburtsstunde des westdeutschen Kapitalismus.“
Aktien behielten ihren Nennwert im verhältnis 1:1 - was vor
her auf Reichsmark lautete, galt seit dem 21. Juni als D -Mark. Eine Geldschwemme bescherte den Banken auch die Vorschrift, nach der Hypothekenschulden ebenfalls im Verhältnis 1:1 umbenannt wurden. Wer also vor der Währungsreform eine Hypothek auf ein Haus oder Grundstück aufgenommmen hatte, mußte sie nachher in harter DM zurückzahlen - und genau das konnten die kleinen Leute mit ihren 40 Mark nicht.
Willi Meyer-Buer, damals Bürgerschafts-Abgeordneter der KPD, muß noch heute lachen, als er den damaligen Bürgermeister Kaisen zitiert: „Wir sind jetzt alle gleich arm“. Meyer-Buer: „Alle diejenigen, die Sachwerte hatten, waren nicht gleich arm.“
Auf die kleinen Ladenbesitzer wurde auch in Bremen am meisten geschimpft. Wer seine Sachwerte jetzt ins Schaufenster stellte, offenbarte, daß er ein „Währungsspekulant“ war - das war allgemein gängig und üblich.
Meyer-Buer: „Aber die Großen haben sich natürlich nicht offenbart. Die Maschinen und Rohstoffe wurden natürlich nicht in die Schaufenster gestellt - deren Eigentümer waren aber diejenigen, die den ganz großen Schnitt gemacht haben: mit der AG Weser, Borgward und den Atlas-Werken.“
Die KPD wußte schon Wochen zuvor, das in einem bestimmten Frachtschiff, das in Bremerhaven festgemacht hatte, die neuen Banknoten für die drei Westzonen in großen Kisten lagerten. „Wir hatten Freunde, die uns das mitgeteilt haben. Wir haben natürlich versucht, einige dieser Scheinchen in die Hand zu bekommen.“ Einzelheiten über das offenbar gescheiterte Vorhaben mag Meyer-Buer auch heute noch nicht erzählen. „Wir wollten Weltpolitik machen, wir hätten beweisen können, daß hier mit finanziellen Mitteln die Teilung Deutschlands vorbereitet wurde.“
Der Kommunist ist heute froh, daß auch die SPD, die die Währungsreform damals begrüßt hatte, das heute zugibt. Die Reichsmark-Bündel, die in den drei Westzonen nichts mehr wert waren, strömten jetzt in die Sowjetische Besatzungszone und vor allem nach Ostberlin, wo das „alte Geld“ noch gültiges Zahlungsmittel waren. Um das Land vor dem totalen Ausverkauf zu retten, wurden die Grenzen geschlossen, eine eigene Währung wurde eingeführt, und in der Nacht zum 24. Juni begann die „Berlin-Blockade“.
Hektische Tage bescherte die Währungsreform auch dem damaligen Chefredakteur des KPD-Wochenblattes „Tribüne der Demokratie“, Willi Hundertmark, der heute Vorsitzender der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ ist. Sein Blatt wurde gleich zweimal verboten. „Zwei Währungsreformen enteignen - im Westen die Schaffenden, im Osten die Parasiten“, hatte er ge
schrieben. Angeblich hatte Hundertmark falsch ausgerechnet, daß eine Westzonen-Familie durch die Währungsreform „praktisch enteignet“ worden sei - mit einer Bestätigung der Rechnung durch einen Angestellten beim Finanzsenator gelang die Aufhebung des Verbotes. In der Zwischenzeit hatte die KPD mit einem Flugblatt die US-Pressezensur kritisiert, wofür sie sich prompt das zweite Verbot einhandelte.
Für die KPD wie für Hundertmark hatte die Währungsreform noch weitere Folgen: Das Vermögen der mitgliederkräftigen Partei wurde vernichtet. Was bei den bürgerlichen Parteien durch Spenden schnell wieder in Gang kam, dauerte bei SPD und KPD länger: Hundertmark etwa bekam seit der Währungsreform sein Gehalt in Büchern und Broschüren ausgezahlt und mußte sie an die GenossInnen weiterverkaufen, um Geld zum Leben zu haben.
Martin Christians
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