: Ein ganzes Stück einfältiger –betr.: „Quellendorf bleibt hetero“, taz vom 1. 12. 98
[...] Unabhängig davon, ob Michaela Lindner jetzt lesbisch oder hetero leben möchte, der Zusammenhang zwischen ihrer Transsexualität und der Tatsache „Quellendorf bleibt hetero“ will mir einfach nicht verständlich werden. Soweit ich weiß, war es bisher nie eine Forderung der Lesbenbewegung, die ganze Gesellschaft solle homosexuell werden. Das mag ja ein interessanter Lösungsansatz zum Problem der Homophobie sein, aber er greift doch wohl etwas kurz im Hinblick auf die diversen und miteinander verflochtenen gesellschaftlichen Ausgrenzungs- und Machtverhältnisse. Die Forderungen von Michaela Lindener (wie auch der Lesbenbewegung) gingen ja wohl eher in Richtung gesellschaftlicher Akzeptanz für die eigene, nicht der Norm entsprechende Identität. Wenn es im Titel also um die Identität und Lebensform „hetero“ gehen sollte, können und dürfen die Quellendorf- EinwohnerInnen demnach ruhig hetero bleiben (soweit sie es sind und es weiterhin bleiben wollen), es sei denn Heterosexuelle können keine Identitäten und Lebensformen akzeptieren, die nicht mit ihren übereinstimmen. Das würde allerdings die Hoffnungen nicht nur der Lesben auf potentielle gesellschaftiche Veränderungen zunichte machen und entspricht außerdem nicht meinen Erfahrungen.
[...] Wenn Quellendorf heterogen sein sollte, was bei der augenscheinlichen Intoleranz und Ausgrenzung eher unwahrscheinlich ist, wird es nach dem Wegzug von Michaela Lindner auf jeden Fall ein ganzes Stück einfältiger werden. [...] Frauke Düßmann, Berlin
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