: Ein bißchen mehr Herz
■ Das 3:0 gegen den VfB Stuttgart ist für DFB-Pokalfinalist Bayern bloß Imagepflege
München (taz) – Franz Beckenbauer, talentiertester Redner beim FC Bayern München, hatte sich alle Mühe gegeben. Von einem „vorgezogenen Endspiel“ sprach der Präsident. Vom „Pokal-Hit“. Genützt hat es wenig. Nur 32.000 Zuschauer wollten das DFB-Pokal-Halbfinale gegen den VfB Stuttgart sehen. Außerhalb Münchens fand das Spiel mehr Interesse. Im fernen Oman drehten ein paar fleißige Helfer jedenfalls solange an der Satellitenschüssel, bis Berti Vogts ein klares Bild vom 3:0-Sieg der Bayern hatte.
Alles werden sie dennoch nicht mitbekommen haben. Was Verteidiger Markus Babbel über die Vergangenheitbewältigung zu berichten hatte zum Beispiel. Nach dem peinlichen 1:2 am Wochenende bei Hertha BSC habe Trainer Giovanni Trapattoni seinen Untergebenen das schwächste Spiel unter seiner Führung bestätigt.
„Ein Alptraum“: Stinkiger VfB- Stürmer Bobic Foto: AP
So was hören Fußballer gar nicht gern. Auch Kapitän Thomas Helmer plauderte nach der Arbeit ein paar Interna aus der Umkleide aus. Zwei neue Worte hätte sich der Trainer für die Kabinenrede vor der Begegnung antrainiert. „Raus“ und „Vollgas“.
Das wäre aber gar nicht nötig gewesen. „Wenn du ein bißchen Herz hast“, sagte Bayerns Torhüter Oliver Kahn, „läufst du heute raus und fegst die weg.“ So haben sie es gemacht. Die Bayern begannen flott und aggressiv. Nach 14 Minuten schüttelte Giovane Elber auf der linken Außenbahn Gegner und Jetlag ab und zirkelte den Ball gefühlvoll auf den Kopf von Carsten Jancker. Der verlängerte auf den Fuß des Kollegen Hamann – 1:0.
Sieben Minuten später trickste Jancker die Stuttgarter Hintermänner zum zweiten Mal aus, Mehmet Scholl mußte nur noch einschieben. Kurz darauf ballerte Tarnat einen Abpraller durch die Abwehrreihen ins gegnerische Tor – 3:0. Danach „war das Spiel gelaufen“, sagte Stuttgarts Stürmer Fredi Bobic. Davor eigentlich auch schon. Vom Titelverteidiger war nichts zu sehen.
Die Angreifer Bobic und Akpoborie standen bei Babbel und Helmer im Schatten. Krassimir Balakow trabte frustriert durchs Mittelfeld. Zu einem seiner gefürchteten Freistöße kam er gar nicht, weil die Bayern fast alle Zweikämpfe für sich entschieden. Dazu drei Gegentore in elf Minuten. Kurz: „Es war ein Alptraum“, sagte Bobic. „Wir waren heute nicht in der Lage, ein Kampfspiel zu machen“, sagte Trainer Joachim Löw. Warum, will er mit seinen Spielern alleine besprechen.
Die Bayern genossen das Gefühl, nach zwölf Jahren endlich wieder das Finale erreicht zu haben. „Wir haben heute alles richtig gemacht, was wir in Berlin falsch gemacht haben“, sagte Babbel.
Dabei würden sie auch dieses Jahr alles lieber gewinnen als den nationalen Pokal. Aber weil es in der Meisterschaft nicht so richtig klappt, muß der Wettbewerb zur Imagepflege und Stärkung des Selbstvertrauens herhalten. Viel Zeit zum Feiern blieb allerdings nicht. Elber mußte zurück ins Bett, die Nationalspieler ins Flugzeug nach Oman. Damit sie den anderen erzählen können, was der Satellit alles verpaßt hat. Nina Klöckner
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