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Ein bisschen fördern statt fordern

Die Regierung ist umgefallen: Die Wirtschaft verspricht, ihren Mitgliedern frauenfreundliche Maßnahmen zu empfehlen – Pflichten bleiben ihr erspart

von HEIDE OESTREICH

Passgenau kam die Warnung: 30.000 Unternehmen in Deutschland droht die Schließung, eine Million Arbeitsplätze seien gefährdet, meldet der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft. Warum? Weil die Chefs keine Nachfolger mehr finden. Der Mittelstand, der am vehementesten darüber klagte, dass man sich nicht mit Firlefanz wie der Qualifizierung von Frauen und familienfreundlichen Arbeitszeiten aufhalten könne, findet plötzlich keinen Führungsnachwuchs mehr. Na so was. Da gab es doch mal die Idee, der Wirtschaft mit einem Gleichstellungsgesetz auf die Sprünge zu helfen, das den Unternehmen genau diese Maßnahmen verpasst hätte. Dann sähe der Nachwuchsmangel vielleicht nicht ganz so gravierend aus.

Vorbei. Am Montagabend haben Kanzler Schröder, Wirtschaftsminister Müller und die Unternehmerverbände eine „Vereinbarung“ getroffen: Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und der Bund der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) versprechen, ihren Mitgliedern einen bunten Strauß an frauen- und familienfreundlichen Maßnahmen zu empfehlen, die Regierung verspricht, dass sie auf keinen Fall ein Gesetz macht, wenn die Vereinbarung „erfolgreich umgesetzt“ wird. Ach ja, Frauenministerin Bergmann war auch dabei. Um daran zu erinnern, dass die Vereinbarung ja fast genauso aussieht, wie ihr Gesetzentwurf. Nur steht nicht Gesetz drüber, es steht auch nicht Verpflichtung drüber, sondern: Die Verbände „empfehlen“.

„Da bleibt einem die Sprache weg“, ist das Erste, was der Frauenreferentin des DGB, Maria Kathmann, dazu einfällt. „Den Teufel werden die Unternehmen tun“, sagt die Gewerkschaftsfrau. Einlullen lassen habe sich die Regierung. Eine herbe Enttäuschung nennt auch die Arbeitsrichterin Ingrid Weber vom Deutschen Juristinnenbund das Arrangement. Weber hatte in der Expertinnengruppe des Frauenministeriums an dem Gesetzentwurf mitgearbeitet. Die Vereinbarung sei die „Garantie dafür, dass das Gesetz nie kommen wird“. Es heißt dort, dass die Empfehlungen der Verbände von einer Kommission begleitet und überprüft werden. Diese mit Vertretern der Unternehmerverbände und der Politik besetzte Gruppe „Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit der Wirtschaft“ werde die Maßnahmen 2003 erstmals und danach alle zwei Jahre evaluieren. Dann werde sie Empfehlungen entwickeln, wie mit dem Thema weiter umzugehen sei. „Es gibt keine verbindlichen Maßstäbe“, klagt Weber. Der Gesetzentwurf hätte die gleichen Regelungen verbindlicher gemacht.

Frauenministerin Bergmann dagegen betrübt dies nicht: „Ein Durchbruch“ sei die Vereinbarung, verkündet sie frohgemut, und in ihrer Presseerklärung wimmelt es nur so vor „Verpflichtungen“. Zu einer Situationsanalyse „verpflichten sich“ die Unternehmen angeblich, und zu „geeigneten betrieblichen Maßnahmen“. Für den BDI allerdings sieht die Verpflichtung ganz anders aus: „Wir werden unsere Mitglieder wahrscheinlich über ein Rundschreiben informieren. Ob es gleich zu einer Broschüre reicht, weiß ich nicht“, erklärt der Pressesprecher. Aber die Arbeitsmarktlage werde den Unternehmen schon auf die Sprünge helfen. Gerade davon sind die Frauenverbände nicht überzeugt: „Sie sehen doch an der Green Card, dass alles andere passiert, als dass man Frauen in die Firmen holt“, sagt Maria Kathmann. Und Richterin Weber betont: „Frauen sind doch keine Lückenbüßerinnen. Nach Artikel drei des Grundgesetzes muss die Gleichstellung gefördert werden. Diesen Artikel nimmt die Regierung nicht ernst.“

Hatten die Fraktionen noch vor kurzem gedroht, den Gesetzentwurf vom Parlament aus auf den Weg zu bringen, sollte die Verpflichtung der Wirtschaft nicht überzeugend sein, so ist diese Hoffnung nun dahin. Während die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Hanna Wolf, noch bis nach der Sommerpause prüfen will, gab Fraktionschef Struck schon mal die Linie vor: Bergmann habe von einem Durchbruch gesprochen, ein Gesetz sei damit unnötig. Bergmann allerdings lässt sich nicht verdrießen: Man werde die Evaluation 2003 abwarten. „Und wenn sich nichts getan hat,“ so Bergmann zur taz, „dann liegt das Gesetz wieder auf dem Tisch.“

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