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PortraitEin Zugpferd für Hannover

■ Margot Käßmann

Es war eine historische Bischofswahl. Zum ersten Mal in der Geschichte der größten evangelischen Landeskirche Deutschlands gab es zwei Kandidaten. Noch historischer: Ein Kandidat war eine Frau – die sich im dritten Wahlgang am Samstag auch noch durchsetzen konnte, mit 52 zu 45 Stimmen.

Margot Käßmann ist die erste Bischöfin in der Geschichte der Landeskirche Hannover und nach Maria Jepsen in der nordelbischen Landeskirche die zweite in Deutschland.

Mit knapper Mehrheit hat sich die Synode damit für eine ausgesprochen liberale und offene Theologin entschieden.

Für Margot Käßmann, die am vergangenen Donnerstag 41 Jahre alt wurde, ist es keine neue Erfahrung, die erste und die jüngste zu sein. 1983 wurde sie mit 25 Jahren auf der Weltkirchenkonferenz in Vancouver jüngstes Mitglied im Zentralausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen. 1991 wurde die promovierte Theologin als einzige Deutsche in den Exekutivausschuß des Weltkirchenrates gewählt. 1994 übernahm sie als erste Frau das Amt des Generalsekretärs des Evangelischen Kirchentages, mit 36 Jahren.

Margot Käßmann kennt die Vorurteile, die über sie verbreitet werden. Wie ginge das an, Bischöfin werden zu wollen, als Mutter von vier Töchtern. Eine Kritik, die sie verletzt und erstaunt: „Familie und Beruf, bei einem Mann findet das niemand ungewöhnlich.“ Der Gegenkandidat, Landessuperintendent Jürgen Johannesdotter, hat fünf Söhne. Die Pastorin betont, daß ihr Mann, der nur halbtags arbeitet, und ihre Töchter sie immer unterstützt hätten. „Ich bin nicht ehrgeizig“, wehrt Margot Käßmann ab. „Ich hatte nur immer den Mut, bei Angeboten zu sagen, okay, ich mach' das.“

Sie sei ein Zugpferd, heißt es aus ihrem Umfeld. Ein Mensch, der andere mitreißen und bewegen kann. Diszipliniert, sehr fleißig, sehr schnell. Manchmal vielleicht sogar ein bißchen zu schnell. Als Revolutionärin und als ausgewiesene feministische Theologin wurde sie verschiedentlich beschrieben. Sie selbst spricht von Erneuerung und einer experimentierfreudigen Kirche.

Und was kommt nach dem Bischofsposten? Wird sie die erste Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche? „Nein, nein“, sagt Margot Käßmann, „ich könnte mir auch vorstellen, ganz was anderes als Kirche zu machen.“

Und was? – „Eigentlich doch nicht, aber vielleicht bin ich die erste Bischöfin, die wieder zurück ins Pfarramt geht.“ Georg Gruber

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