: Ein Schiff für eine Milliarde Dollar
■ Am größten Passagierschiff der Welt soll auch der Bremer Vulkan mitbauen / Auf der „Phoenix“ werden sich 5.600 US-AmerikanerInnen, betreut von 1.800 Besatzungsmitgliedern, in der Karibik-Sonne aalen
Der Vergnügungssucht reicher US-AmerikanerInnen haben die norddeutschen Werftarbeiter den wohl größten zivilen Auftrag der Werftgeschichte zu verdanken. Der Bremer Vulkan ist eine der vier Werften, die für rund eine Milliarde Dollar das teuerste Kreuzfahrtschiff der Welt bauen sollen. Der Chef der „Norwegian Carribean Line (NCL)“, Knut Kloster, unterschrieb in Hamburg den Vorvertrag mit einem Konsortium aus HDW in Kiel, Blohm und Voss in Hamburg, den Thyssen Nordseewerken in Emden und dem Bremer Vulkan.
Die „Phoenix“ soll 5.600 Passagiere und 1.800 Besatzungsmitglieder transportieren. Zum Vergleich: Die „Queen Elisabeth“ bringt es gerade auf 1.816 Gäste. Mit rund 375 Metern Länge ist die Phoenix 60 Meter länger als die bisherige Rekordinhaberin „Nor
way“, die ebenfalls der NCL gehört. An der Wasserlinie wird sie eine Breite von 52 Metern und durch die Seitenbauten maximal 77 Meter haben. Die Phoenix wird mit ihren 250.000 Tonnen Gewicht schwerer sein als die „Norway“, die „Queen“ und das Luxusschiff „Sovereign of the Seas“ zusammen. Die Abmessungen sind so abnorm, daß die „Phoenix“ in einem HDW -Dock in Kiel zusammengebaut wird, das einst der Montage von Supertankern diente. Die beteiligten Werften sollen jeweils eine Sektion und getrennt davon die Hoteltürme bauen, die anschließend nach Kiel gebracht werden. Auch die Zulieferindustrie darf sich freuen: Rund 30.000 Beschäftigte in der Region werden mit dem Bau zu tun bekommen, nur 30 Prozent der Gesamtsumme geht direkt an die Werften.
Das Schiff wird eine schwimmende Luxus-Insel, nach Vulkan -Chef Hennemann ein „Gebilde“ mit einem Theater für 2.300 und einem Versammlungsraum für 1.500 Personen, einer Bibliothek mit 100.000 Bänden, Dörfern, Tennisplätzen, künstlichen Sandstränden und Palmen an den zahl
reichen Swimming-Pools. Dieser Teil des Schiffes soll „World City“ heißen. Der Organisator der Olympischen Spiele von Los Angeles, Peter von Ueberroth, jetzt Direktor der „World City Corporation“, mit der die Werftvorstände das Abkommen unterschrieben: „Phoenix World City
wird nur das erste einer neuen Generation von schwimmenden Urlaubsstädten sein, die die Reiseindustrie in den kommenden Jahren revolutionieren werden“.
Seit 1983 hat HDW an diesem Projekt, das rund 10 Millionen Arbeitsstunden umfaßt, gearbeitet. Ursprünglich sollte der Auftrag an ein japanisches Werftenkonsortium gehen. Obwohl dort Pläne für ein 3.000-Passagiere-Schiff in der Schublade liegen, ist in Japan noch kein großes Passagierschiff tatsächlich auch gebaut worden - die Erfahrung der norddeutschen Werften gilt als ausschlaggebend für Klosters Entscheidung.
Der Vorvertrag umfaßt neben der technischen Organisation vor allem die Finanzierungsfragen; die zu klären hat der Bremer Vulkan federführend übernommen. 200 Millionen Dollar Kapital will Kloster bis Ende August auf dem US-Markt aufnehmen, die anderen 800 Millionen sollen unter der Führung des Werften-Konsortiums akquiriert werden. Banken und Anlage-Fonds sollen sich beteiligen; Kloster will darüberhinaus an das Geld der Industrie. Rund 200 Großunternehmen, unter ihnen Siemens, Daimler und AEG, sollen sich mit je einer Million Dollar beteiligen. Das dient als Anlagemöglichkeit, und zudem zeigt der US-Markt, daß sich solche Firmen dann auch mit Kongressen oder Belohnungs-Reisen für fleißige Mitarbeiter an der Auslastung der Schiffe beteiligen. Die Phoenix soll 1993 abgeliefert werden.
mc
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