piwik no script img

Ein Plädoyer für SchumacherBoxenstopp beendet

Michael Schumacher kehrt zurück in das Cockpit, und die Kommentatoren sind voller Freude. Zu Recht! Denn Schumi ist der beste Rennfahrer aller Zeiten.

Der rennfahrende Gutmensch: Schumi ist zurück. Bild: dpa

Ja, ja, haltet mich für bescheuert, plemplem und ballaballa, für nicht mehr ganz sauber und komplett unzurechnungsfähig. Doch ich stimme ihnen allen zu, all den Kommentatoren, die anlässlich des Comebacks von Michael Schumacher zu frohlocken und zu jauchzen anheben. "Das schönste Paar der Formel 1 ist wieder zusammen", schreibt etwa die La Gazzetta dello Sport, "ein Fest - der größte Champion aller Zeiten ist wieder da." Und die britische Times bejubelt "das bemerkenswerteste Comeback in der Motorsportgeschichte".

Es hat zwar ohnehin keinen Sinn, 4 bis 400 triftige Argumente gegen die wohlfeilen, zumal in besonders aufgeklärten respektive vernagelten Alternativkreisen kursierenden und quälend hartnäckig und sauertöpfisch vorgetragenen Bedenken und Vorurteile gegenüber dem Motorsport ins Feld zu führen, aber dass die Formel 1 ein Sport ist - ja, ich wiederhole es gerne: Die Formel 1 ist ein Sport, im Gegensatz zu diesem Radler- und Schwimmerunfug, den sie uns zurzeit vorsetzen, ein Sport, der ein ungeheures Maß an körperlicher Präsenz und geistiger Präzision verlangt, kann jeder mit zwei intakten Augen erkennen, der sich mal an eine Rennstrecke begibt und beobachtet, wie die Piloten ihre fragilen und zugleich unbändige Kräfte entfaltenden Kisten um die Kurven werfen.

Brummbrumm, Ressourcenvergeudung, Zeohzwei, ja, ja. Mögen sich die Öko- und sonstigen Spießer in ihren Litaneien und Jeremiaden gefallen, sie sind lachhaft angesichts einer Welt, in der nichts anderes mehr zählt als die rasende, monströse Verschandelung und Plünderung des Planeten. Nicht die Formel 1 ist obszön, widerwärtig ist, was von China bis Brasilien, von der Arktis bis Afrika passiert, in jeder Sekunde. Der Skandal sei, schrieb Witold Gombrowicz, dass in jeder Sekunde gestorben werde. Der Skandal ist, dass in jeder Sekunde Regenwälder und Savannen vernichtet werden.

So, das ist alles ein wenig dick aufgetragen? "Schumi ist zu alt für diese Scheiße", simst mir gerade eine Freundin. "Aber hau rein. Und vergiss nicht, beim Schreiben die rote Kappe aufzusetzen und Brummbrumm zu schreien." Warum eigentlich nicht? Vernünftiger als das, was in den Banken und Börsen getrieben wird, wäre es allemal.

Dass Michael Schumacher zuweilen kreuzdummes Zeug zusammengeredet hat - es interessiert mich nicht. Es interessiert mich auch nicht, welche politischen Ansichten in Fußballerköpfen herumkugeln. Interessanter ist, dass die zahlreichen Schumacher-Klischees, deren man sich jetzt zu bedienen hätte, jeder Grundlage entbehren - beispielsweise jenes vom "hässlichen Deutschen". Erst kürzlich schwärmten mir in Monaco zwei hochseriöse britische Journalisten einen ganzen Abend lang vor, was für ein Genie der Mann sei, und versicherten mehrfach inständig, der Rheinländer werde in England abgöttisch verehrt.

Fürwahr, ein "Jahrhundert-Comeback" (Stern). Der Formel-1-Fachmann Elmar Brümmer merkt an: "Schumi, der Gutmensch. Wenn Ferrari ruft, dann folgt er. Das ist nicht sarkastisch gemeint, so ist er nämlich." Und der Poet Horst Tomayer widmete dem größten Rennfahrer aller Zeiten vor Jahren ein fabelhaftes Lobgedicht, in dem es heißt: "Randvollen Tanks und Schadlastmindrung / wegen bis auf null entleerter Blase // Fährst du schlichten Sprit in Seinssinn / wandelnd wenn auch nicht grad leise // Boxenstops und Kollisionen meidend / ein für alle Mal im Kreise."

Jetzt müsste nur noch der alte Formel- -Boss Bernie Ecclestone verschwinden. Denn der ist wirklich unerträglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • UK
    Uli Krumme

    'tschuldigung dir in die Parade zu fahren Heinz....

    ich habe garkein Auto..schon seit 15 Jahren nicht mehr..und du ja sicher auch nicht

    Gruss

    Uli Krumme

  • T
    Tom

    Sollte man Sport nicht grundsätzlich boykottieren? Unsinnig ist das immer egal ob Runden gedreht werden oder nicht.

    Genauso wie klimakillende Touristenflüge oder sprittfressende Autos.

     

    Daher verstehe ich das Problem nicht so ganz …

  • H
    heinz

    @Uli Krumme:

    "Au weija Juergen...das gibt Mecker !!!!!"

    Und zu Recht!

    Alle, die sich beim Röhren der Motoren keinen runterholen, brummweg als Spassbremsen zu diffamieren, so hat man's gern, da weiss man wenigstens, wes Geistes Auspuffrohr der Kommentator ist.

    Brüllen wir also Hurra, kaum hat die Finanz- und Ökokrise selbst den ein oder anderen besonders hartgesottenen Bleifuss zum Nachdenken gebracht, tritt unser Schummelschumi wieder auf's ideologische Vollgas. Der wird doch hoffentlich die dauernörgelnden Müslis zum Verstummen bringen!

    Lieber Kommentator, Dein Auto fährt auch ohne Wald, ich weiss, ich weiss. Aber fährt es auch ohne Sprit?

  • R
    reblek

    Herr Roth drückt es anders aus, aber es gilt nach wie vor: "Der Fan hat eine eingegrenzte Sicht der Dinge." Und deshalb gehört das, was er als "Motorsport" bezeichnet, nicht auf die Seite "Leibesübungen" der taz.

  • UK
    Uli Krumme

    Au weija Juergen...das gibt Mecker !!!!!

  • GP
    Georg Petersen

    Das ich das noch erleben darf. War das jetzt das Ende des taz-Motorsportboykotts, oder an den Sportverantworlichen vorbei ins Leben gedrückt? Egal. Danke.

  • KK
    Klaus Keller

    Nachruf: es würde mich freuen wenn ich baldmöglichst über Ihren Held höre das er beim unsinnigsten rundendrehen aller Zeiten sein dasein beendet hat.

     

    Selbst von BMW hört man das es diesen Schwachsinn aufgibt.

     

    klaus keller hanau