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Ein Ost-West-Post-Punk-Treffen: Ornament & Verbrechen und Die Goldenen Zitronen im Münchner Haus der KunstZusammen hören, was zusammen-gehört? Oder: Dilet-tanten beider Länder, vereinigt euch!

„Wächst hier zusammen, was zusammengehört, oder fordert uns der Raum heraus?“. Ted Gaier formuliert sein Unwohlsein im trotz kritischen Rückbaus dominanten Nazi-Kunstbau. Das den ob seiner Größe auch akustisch schwierigen Saal komplett ausfüllende Publikum aber schweigt fröhlich, und es folgt der Hit von den Widersprüchen und Selbstzweifeln. Die Frage nach dem Verhältnis von Dabei- und Dafürsein leitet jedoch schon das Konzert der Goldies ein und lässt sich über den architektonischen Rahmen hinaus auch auf den Gesamtkontext anwenden.

Schorsch Kamerun jedenfalls wundert sich vor der Show, warum ausgerechnet sie zum Finale der vom Goethe-Institut getragenen Ausstellung spielen, denn damals, in den Achtzigern, wär ihr Funpunk jedenfalls nicht Teil der „Genialen Dilletanten“ gewesen. Wobei sie sich mittlerweile ästhetisch doch im kuratorisch weit abgesteckten Terrain bewegten. Eine späte Eingemeindung durch fortschreibende Annäherung. Wobei sie darauf verzichteten, die zuletzt veröffentlichten englischen Versionen zu spielen. Getreu der Institutsformel „Sprache. Kultur. Deutschland“.

Aspekte des Anderssein

Englischer Gesang stellte im zuvor bejubelten Fall von Ornament & Verbrechen allerdings kein Ausschlusskriterium dar, aber vielleicht wirkte da auch ein Ost-Sonderbonus. In der absolut begrüßenswerten Vereinigung beider deutscher Subkulturen gingen jedoch leider auch noch viele andere Aspekte des Andersseins verloren. Die 1983 von den Brüdern Ronald und Robert Lippok gegründete Band war eine sich permanent stilistisch und personell ändernde Konstante im Underground der DDR und trat ab 1984 mit Samizdat-Tapes und Performances an die Gegenöffentlichkeit.

Stets offen für Kooperationen mit Dichtern oder Malern, war sie nie fassbar, oft genug überraschend. Nachdem der Mauerfall die Brüder wieder zusammenbrachte – Robert Lippok reiste Ende der Achtziger frustriert aus – und die Wechselwirkungen mit der Westberliner Szene intensivierte, gingen Ornament & Verbrechen allerdings nach einer kaum wahrgenommenen Mini-CD bei Alfred Hilsberg und einer letzten CD in Eigenauflage auseinander und ihrer Wege in die Transformation.

Ronald Lippok formierte mit dem alten Weggefährten Bernd Jestram zu Tarwater, und die Lippoks bildeten mit Stefan Schneider das Postrock-Trio To Rococo Rot. Reaktiviert zur Veröffentlichung des DDR-Magnetbanduntergrunds, sind die „Fratelli Lippok“ (Bert Papenfuß) nun allerdings ab und an auch wieder als Urzelle unterwegs, auf Exkursionen zwischen Post-Ost-Kraut-Noise, Schräg-Elektronik, Live-Rhythmik und gebrochener Songstruktur. So auch im Haus der Kunst, dem Ornament & Verbrechen, ganz ihrem Namen verpflichtet, betonbrutale Eingriffe oder am besten ein Verschwinden wünschten.

Alexander Pehlemann

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