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Ein Mann, ein Wort

Duisburg Am Sonntag wählt die Stadt nicht nur den Bundestag, sondern auch ihren Oberbürgermeister

„Inhaltlich habe ich nichts zurück­zunehmen“

Sören Link, SPD-Oberbürgermeisterkandidat

DUISBURG taz | „Asozial bleibt asozial“: Mit diesem markigen Spruch hat Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link, der sich am Sonntag freiwillig vorzeitig zur Wiederwahl stellt, die türkischstämmige Community gegen sich aufgebracht. Abgelassen hatte Link die Pöbelei, nachdem ein harmloser Polizeieinsatz Ende Juni, bei dem ein türkischstämmiger Falschparker zur Ordnung gerufen wurde, völlig eskaliert war. Eine zunächst zweiköpfige Streife fühlte sich von Schaulustigen bedroht und rief Verstärkung. Am Ende standen sich in dem migrantisch geprägten Stadtteil Bruckhausen rund 50 Poli­zis­tIn­nen und 250 AnwohnerInnen gegenüber.

Dumm für Link: Überwachungskameras zeigen, wie der Falschparker von PolizistInnen zu Boden geworfen und getreten wird. Von „völlig unverhältnismäßiger Polizeigewalt“ spricht nicht nur Levent Önder, Unternehmensberater und Vertreter der Community. Seine Pöbelei hat Link einen zusätzlichen Gegenkandidaten beschert: Yasar Durmus, Kranführer bei ThyssenKrupp, will den Wiedereinzug des Sozialdemokraten ins Rathaus verhindern.

Was Durnus besonders ärgert: Link weigert sich bis heute, sich von seinem „Asozial“-Spruch zu distanzieren: „Ich weiß nicht, ob ich die gleichen Worte wählen würde. Aber inhaltlich habe ich nichts zurückzunehmen“, sagte Link noch Ende August der WAZ.

Hintergrund ist eine jahrelange Diskussion über Gewalt nicht nur im Duisburger Norden: Die billigen, im Lärm und Dreck des Stahlwerks liegenden Gründerzeithäuser sind Ziel von ArmutsmigrantInnen, vor allem aus Südosteuropa. Darunter sind auch Analphabeten, die auf dem regulären Duisburger Arbeitsmarkt mit seinen 13 Prozent Arbeitslosigkeit kaum eine Chance haben. BürgerInnen klagen über Diebstähle, Einbrüche und kriminelle Clanstrukturen, die Behörden über Schwarzarbeit und Sozialbetrug.

Sozialdemokrat Link, der parteiintern umstritten ist, weil er auf einer SPD-Tagung tönte, er nehme gern zwei Syrer auf, wenn er dafür einen Südosteuropäer loswerde, versucht gegenzusteuern. Schrottimmobilien, in denen skrupellose Vermieter hunderte Euro für einen Schlafplatz auf einer dreckigen Matratze verlangen, lässt er räumen. Gleichzeitig hat der Oberbürgermeister eine verschärfte Polizeipräsenz durchgesetzt. Und Massenaufläufe, die die Arbeit von Polizei, Feuerwehr oder Sanitätern immer öfter behinderten, könnten eben auf keinen Preis geduldet werden, findet er.

Dabei ist die Armutsmigration nicht das einzige Problem Links: Am Sonntag entscheiden die DuisburgerInnen auch, was mit dem riesigen brachliegenden Loveparade-Gelände geschehen soll. 21 Menschen wurden hier 2010 bei einer Massenpanik totgetreten. Der Investor Kurt Krieger, dem der heruntergekommene ehemalige Güterbahnhof mitten in der Stadt gehört, will dort ein 300.000 Quadratmeter großes „Designer Outlet-Center“ bauen. Doch die Bürgerinitiative „Ja zu Duisburg“ fürchtet die Verödung der Innenstadt – und verweist auf die Nachbarstädte wie Oberhausen, wo das Einkaufszentrum „CentrO“ die Fußgängerzone in eine traurige Ansammlung aus Ein-Euro-Läden, Spielhallen und Fressbuden verwandelt hat. Link dagegen stützt die Outlet-Idee mangels alternativer Pläne.

Seine Chancen auf Wiederwahl scheint das nicht zu schmälern. In einer kürzlichen Umfrage der Uni Duisburg-Essen kam der Nachfolger des 2012 wegen der Loveparade-Katastrophe zurückgetretenen Christdemokraten Adolf Sauerland auf 38 Prozent. Links von CDU und Grünen gestützter parteiloser Konkurrent Gerhard Meyer lag bei 10 Prozent. Die Hälfte der WählerInnen war unentschlossen. Andreas Wyputta

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