Ein Jahr nach der Räumung: Liebig und teuer
Die Räumung der Liebig 14 hat Berlin 1,6 Millionen Euro gekostet. Nun ist das Haus neu vermietet. Am Donnerstag, dem Jahrestag, gibt es erneut Proteste.
Die Räumung des Hausprojekts in der Liebigstraße 14 vor einem Jahr ist das Land Berlin teuer zu stehen gekommen: 1,6 Millionen kostete der Einsatz, wie die Polizei auf taz-Anfrage angab. Der Großteil der Kosten, 924.000 Euro, sei "theoretischer Natur", betonte ein Polizeisprecher. Diese Kosten beträfen Berliner Polizisten, die sich ohnehin im Dienst befunden hätten und deren Einsatz von den "normalen Personalkosten" gedeckt war. Die übrigen 682.000 Euro seien für auswärtige Polizeikräfte angefallen.
Der Besitzer des Hauses hatte die Bewohner des alternativen Hausprojekts nach jahrelangem Tauziehen um die Mietverträge räumen lassen. Zuvor war der Versuch der Bewohner, die Räumung juristisch zu verhindern, in mehreren Verfahren gescheitert. Insgesamt war die Polizei bei der Räumung nach eigenen Angaben mit rund 1.900 Beamten aus Berlin und 1.900 aus anderen Bundesländern im Einsatz. Zum Vergleich: Der 1. Mai 2011 kostete die Berliner Polizei 4,8 Millionen Euro. Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, kritisiert die hohen Ausgaben. "Mit dem Geld hätte man gemeinsam mit dem Liegenschaftsfonds ein gutes Ersatzobjekt finden können."
Im Umfeld der ehemaligen Bewohner sieht man die Räumung nicht als Einzelfall. Tatsächlich sind andere alternative Projekte in einer ähnlichen Situation: Einige wie etwa der Schokoladen in der Ackerstraße, der am 22. Februar geräumt werden soll, sind akut gefährdet. Auch hier gab es in der Vergangenheit Rettungsversuche, die bislang vergeblich geblieben sind. Bei anderen wie dem Tacheles hat die Räumung schon begonnen. Und wieder andere gibt es bereits nicht mehr - das Hausprojekt in der Brunnenstraße etwa oder den Umsonstladen in der Kastanienallee.
Aktivisten mobilisieren sowohl für den heutigen Jahrestag als auch für Samstag zu Protesten. Ab 10 Uhr findet heute eine Mahnwache unter anderem vor der Liebig 14 statt, am Samstag zieht um 15 Uhr eine Demonstration vom Bersarinplatz aus durch den Kiez. Ganz so groß wie vor einem Jahr wird diese wohl nicht werden - damals hatten hunderte DemonstrantInnen über Stunden gegen die Räumung protestiert. Die Gegend um das Haus war weiträumig abgesperrt.
Zu den Vorbereitungen auf die kommenden Proteste wollte sich die Polizei nicht äußern. Es ist davon auszugehen, dass die Beamten sich nicht nur auf friedliche Proteste einstellen. Bereits vergangenes Wochenende hatten etwa 1.000 Menschen gegen einen Rüstungskongress in der Stadt protestiert. Im Anschluss daran lieferten sich kleine Gruppen in Neukölln und Kreuzberg Scharmützel mit der Polizei, die 35 Menschen festnahm. Später kam es zu Auseinandersetzungen in Friedrichshain, ganz in der Nachbarschaft der mittlerweile vermieteten Liebig 14.
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