: Ein „Infarkt des Sozialismus“
■ DKP-Parteitag in Dortmund / DKP zukünftig ohne Vorsitzenden / Keine Mehrheit für Parteiauflösung oder Umbenennung / Nur noch 20.000 Mitglieder und große finanzielle Probleme
Dortmund (ap/dpa/taz) - Mit einer deutlichen Verjüngung im Parteivorstand, einem neuen Statut und dem erklärten Willen zu einer Erneuerung will die DKP ihren seit Monaten anhaltenden Zerfallsprozeß stoppen. Auf ihrem zehnten Parteitag am Wochenende in Dortmund sprachen sich die über 300 Delegierten mehrheitlich gegen einen Parteivorsitzenden aus. Statt dessen wird sich die DKP künftig, ähnlich wie die Grünen, über ein vierköpfiges Sprechergremium artikulieren.
Der Parteitag verabschiedete ein neues Statut. Außerdem sprach er sich für eine Stärkung der unteren Parteiebenen gegenüber dem neuen Vorstand aus. Dem bisherigen Vorstand mit dem Vorsitzenden Herbert Mies erteilten die Delegierten finanzielle Entlastung. Über die politische Entlastung des alten Vorstandes wurde nicht abgestimmt.
Ein Antrag, den gesamten bisherigen Vorstand aus der Partei auszuschließen, fand ebensowenig eine Mehrheit wie der, die DKP aufzulösen. Viele Delegierte sprachen sich allerdings im Falle einer deutsch-deutschen Vereinigung für ein Zusammengehen mit der PDS aus. Andere warnten vor „überstürzten und falschen PDS-Gründungen“ in der Bundesrepublik. Eine Umbenennung der DKP in „PDS-West“ lehnte der Parteitag als „Etikettenschwindel“ ab.
Der bisherige Parteivorsitzende Herbert Mies war nicht zum Parteitag erschienen. In einem Brief an die Delgierten machte er gesundheitliche Gründe für sein Fernbleiben verantwortlich, räumte aber ein: „Was ist ein Herzinfarkt gegen den politischen Infarkt des Sozialismus?“ Mies gab „Unzulänglichkeiten und Irrungen“ der Parteiführung zu und stellte sich nicht mehr zur Wiederwahl.
Auch seine Genossin Stellvertreterin Ellen Weber wollte nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Sie wünschte sich „Zusammenarbeit und Dialog“ mit anderen linken Gruppen und räumte ein, daß die Partei an einem falschen Sozialismusbild festgehalten habe. „Wir wissen, daß mit der deutschen Frage auch die Parteifrage gestellt ist“, sagte sie. Einigkeit bestand bei den Delegierten jedoch darin, daß im Geburtsland von Marx und Engels eine kommunistische Partei unerläßlich sei. In der Debatte über die neue deutschlandpolitische Linie der DKP wandte sich der Parteitag gegen die „Schaffung eines vereinten Deutschlands um jeden Preis“. Auf keinen Fall dürfe es zu einer „Einverleibung“ der DDR kommen. Andere Delegierte sprachen sich dafür aus, „die Kosten der Vereinigung denen aufzuerlegen, die am meisten an ihr verdienen wollen“.
Die DKP hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Monaten rund 40 Prozent ihrer Mitglieder durch Austritt verloren und zur Zeit noch etwa 20.000 Beitragszahler in ihren Reihen. Sie verfügt derzeit nur noch über ein Guthaben von knapp 140.000 Mark - ein gewichtiger Grund dafür, sich keinen hauptamtlichen, sondern nur noch ehrenamtliche Sprecher zu halten.
Als Gäste beim Parteitag konnte die DKP Vertreter der PDS, der KPdSU und der Kommunistischen Partei von El Salvador begrüßen. PDS-Chef Gregor Gysi schickte den Delegierten ein Grußwort, in dem er sich gegen ein nationalistisches vereinigtes Deutschland aussprach. Gleichzeitig entschuldigte sich Gysi „für das Maß an Verantwortung“, das die alte SED am jetzigen Zustand der DKP habe.
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