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Ein Gerangel zum Dessert

Nach der 0:3-Pleite im Derby gegen des HSV ging es beim FC St. Pauli hoch her – und eine Scheibe „unglücklicherweise“ zu Bruch  ■ Von C. Gerlach

Der FC St. Pauli hat einen an der Scheibe – und zwar an der des Clubheims. Nach der Pleite gegen den HSV ging Sonntag abend in der Vereinsgaststätte auf dem Heiligengeistfeld ein Fenster zu Bruch. Es waren jedoch keine HSV-Hooligans, die ihr Mütchen kühlen wollten, sondern St.-Pauli-Fans, die für Glasbruch sorgten – „nicht mit Absicht“, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war. Der Schaden wurde sofort ersetzt. Doch der Reihe nach.

Als die FC-Spieler nach dem Debakel („Wir waren einfach zu blöde“, so stellvertretend Manndecker André Trulsen) zum Mannschaftsessen ins Clubheim kamen, wurden sie schon erwartet – von einigen St.-Pauli-Anhängern. Die waren nach dem peinlichen 0:3 und den Entwicklungen der vergangenen Monate (Volkspark-Umzug, Entlassung von Manager Jürgen Wähling und nicht die von Trainer Uli Maslo, Stadionausbau immer wieder verschoben etc.) ziemlich frustriert und meinten, die gedemütigten Kicker zur Rede stellen zu müssen – logische Folge: Ein unfeines Wort gab das andere.

Mit ein wenig Streiterei wollten sich die treuen Fans jedoch nicht zufrieden geben und gingen vis a vis zur Kneipe „Zum Letzten Pfennig“, um Verstärkung zu holen. Die fand sich dort, und eine Gruppe von 50 Braun-Weißen zog zum Clubheim. Dort wurde lauthals Richtung Spieler und Präsidium „Wir sind St.- Paulianer, und Ihr nicht!“ skandiert.

Doch Boß Heinz Weisener und seine Entourage wollten lieber Schnitzel essen als zu diskutieren. Die Rolladen wurden runtergelassen und die Eingangstür verschlossen. Ein Fenster konnte jedoch nicht schnell genug verriegelt werden – ein Druck mit der flachen Hand auf die Scheibe, und es klirrte.

Inzwischen war auch die Polizei alarmiert worden, die sich mit ein paar Mannschaftswagen an der spontanen Schnitzeljagd beteiligte: Sie kesselten die protestierenden Fans kurzzeitig ein. Nachdem sich schnell herausgestellt hatte, daß es keinesfalls marodierende Hools, sondern FC-Anhänger von der Gegengerade waren, zogen die Beamten wieder ab.

Das taten wenig später auch viele Spieler, für die es zum Nachtisch ein Dessert „aus Gerangel und Geschubse“ gab. Wenige – wie Sobotzik, Pröpper oder Trulsen – ließen sich jedoch aufhalten und debattierten mit den Fans.

Vom Verein war gestern kein offizielles Statement zu dieser surrealen Episode zu erhalten. Präsident Weisener, so hieß es auf der Geschäftsstelle, sei zwei Wochen im Urlaub (= 14 Tage Gnadenfrist für Maslo, es sei denn Papa Heinz kündigt ihm per Einschreiben oder Fax), Vize Christian Hinzpeter habe in Frankfurt zu tun und Manager Helmut Schulte sei erst Ende der Woche wieder zu erreichen. Auch im Clubheim hielt man sich bedeckt. „Meine Chefin hat mir gesagt, daß ich nichts sagen soll“, berichtete ein Angestellter.

Siehe auch Leibesübungen!

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