Ein Ende ohne Namen

Logisches Finale am drögen Rothenbaum: Carretero bezwang Corretja. Wer? Wen?  ■ Aus Hamburg Clemens Gerlach

Das hätte man auch preiswerter haben können. Den Rekordetat von 2,2 Millionen Dollar hatte der Deutsche Tennis Bund (DTB) für das Männer-Turnier am Rothenbaum bei den Sponsoren aufgetrieben, der Abschluß entsprach dann jedoch eher einem Low-budget- Festival. Ein Qualifikant und ein Ungesetzter bestritten gestern das Finale; der Qualifikant gewann. Das mag schön sein, für Roberto Carretero (20), der mit einem 2:6, 6:4, 6:4, 6:4-Finalsieg seinen ersten ATP-Sieg schaffte. Das mag auch noch erfreulich sein, für den unterlegenen Landsmann Alex Corretja (22) – aber vom Endspiel eines Turniers der Super-9-Serie erwartet man eigentlich anderes, als daß sich die bisherigen Weltranglisten- Nummern 143 und 66 für 320.000 Dollar Siegprämie durch die Asche quälen.

Andererseits: Vielleicht ist es auch der konsequente Abschluß dieses Ereignisses. Glamour war beim größten deutschen Sandplatztunier von Beginn an nicht zu finden und stellte sich auch im weiteren Verlauf nicht ein. Schon gar nicht mehr, nachdem Boris Becker früh wie immer ausgeschieden war und die Zweitbesetzung für die Heldenrolle, der chilenische Aufsteiger Marcelo Rios, nur bis zum Halbfinale durchhielt, wo er am Samstag Alex Corretja 4:6, 4:6 unterlag.

So gesehen hatte die wenig prickelnde Veranstaltung mit dem No- name-Duell das passende Ende gefunden. Turnierdirektor Günter Sanders fand dennoch lobende Worte: „Wir haben hervorragenden Sport gesehen.“ Das mußte der Generalsekretär des DTB wohl auch sagen, ansonsten fand sich ja niemand, der zur Verteidigungsrede bereit gewesen wäre. Der vom „schlechtesten Turnier seit Jahren“ genervte Hauptsponsor nicht, der von „einer Bankrotterklärung“ sprach, und auch nicht die Spieler, die, so Sanders, „ganz happy“ seien.

Wen der Funktionär damit wohl gemeint hatte? Boris Becker bestimmt nicht. Der „Partner“ hatte Sanders zuerst die kalte Schulter gezeigt und dann klargestellt, wer in den gemeinsamen Geschäftsbeziehungen das Sagen hat: „Wenn man mit seinen besten Pferden so kritisch umspringt, muß man sich nicht wundern, wenn der DTB aus dem Theater als Verlierer hervorgeht.“ Verloren hat aber nicht nur der DTB, der in den vergangenen Jahren 50 Millionen Mark in die Anlage gesteckt hat und weitere 17 Millionen in eine Dachkonstruktion für den Centre Court investieren wird und nun mit Hilfe der „Weltsensation“, wie DTB-Präsident Claus Stauder meint, wieder Boden gutmachen will.

Doch auf dem Dach hat Becker auch noch rumgehackt. „Herr Becker soll sich erst mal bei uns erkundigen“, sagt Sanders. „Die einzige Serviceleistung, die wir bieten können, ist das Dach, weil der Termin einfach nicht zu verschieben ist.“ Charles Pasarell, Direktor des Super-9-Turniers in Indian Wells, bestärkt Sanders: „Das Dach ist die einzige Möglichkeit, die Vorurteile von Sampras und Agassi aufzuheben.“

Damit sind es mit dem DTB- Präsidenten Claus Stauder drei, die an das Dach glauben und daß die US-Amerikaner dann sofort gerannt kommen. Sonst noch einer? In Hamburg wurde eine Entwicklung sichtbar, die vor allem für die Zuschauer nicht mehr nachvollziehbar ist. Mehr als drei Millionen Mark hatten die Veranstalter ausgelobt, doch kaum ein Spitzenspieler war dem Lockruf des Geldes erlegen. Warum auch? Heute beginnen die ebenso hoch dotierten italienischen Meisterschaften, in drei Wochen die noch lukrativeren French Open – es gibt so viele Turniere, daß die Top ten nach Gutdünken entscheiden kann, wann und wo sie antreten will. Druckmittel sind nicht vorhanden: Sampras & Co diktieren, die Veranstalter und die Standesvertretung ATP kuschen. Das ist auch den Sponsoren nicht entgangen, die um ihre Investitionen bangen. Wer gutes Geld gibt, will auch gute Leistung sehen. Doch damit hapert es schon seit längerem, nicht nur in Hamburg. Es ist ja auch schwer vermittelbar, wieso selbst mittelmäßige Tennisspieler Hunderttausende Dollar auf der ATP-Tour verdienen, während überall sonst von Rezession und radikalem Sparkurs die Rede ist.

Ändern würde sich nur dann etwas, wenn einer der Beteiligten Konsequenzen zöge und aus dem System ausstiege. Doch daran mag niemand ernsthaft glauben. In Hamburg kamen sogar mehr Zuschauer als im Vorjahr. Auch Durchschnitt ist vielen genug, selbst dann, wenn viel dafür bezahlt werden muß.