piwik no script img

Ein Duplikat für die Erinnerung

Geschichte wiederholt sich: Vor zehn Jahren wurde das Kontrollhaus am Checkpoint Charlie feierlich abtransportiert. Gestern wurde dort eine originalgetreue Replik seines Vorgängers feierlich eingeweiht. Mit echten Fahnen und englischunkundigen GIs

von BERT SCHULZ

Ging es am Checkpoint Charlie so zu vor 39 Jahren? Lässig sitzen amerikanische GIs auf ihren Jeeps vor dem Kontrollpunkt und zeigen Umstehenden die technischen Finessen ihrer Fahrzeuge. Touristen und Flaneure verweilen gemütlich in der Morgensonne vor einem Café direkt an der Sektorengrenze. Die Straße ist bestuhlt: Vor einem Rednerpult sitzen und warten Politiker und Prominenz, dahinter stehen rund 200 Passanten. Mittelpunkt des Geschehens ist ein kleines weißes Häuschen, verhüllt wie ein Geschenk.

Es riecht noch etwas streng, weil es so neu ist. Darüber hängt wie als Zeichen der westlichen Freiheit die US-amerikanische Flagge – eigentlich sollte sie in solchen Situationen ja wehen, aber der Anlass sorgt wohl nicht für genügend Wirbel.

Sicherlich war die Situation ungleich dramatischer, als am 22. September 1961 das erste amerikanische Kontrollhäuschen am Checkpoint Charlie in Betrieb genommen wurde. Gestern ging es auch nur um dessen Nachfolger: Eine originalgetreue Replik des Häuschens wurde seiner Bestimmung übergeben. Seine Aufgabe: Erinnerung.

Zwei Jahre hat die Arbeitsgemeinschaft 13. August sich um den Wiederaufbau des Kontrollpostens bemüht, Genehmigungen eingeholt und Spenden gesammelt. Über 200.000 Mark kostete die Wiederauferstehung des Mauermythos auf einer extra angelegten Verkehrsinsel.

Rainer Hildebrandt, Gründer des Mauermuseums, wurde so auch nicht müde, die Einmaligkeit dieser Wiedereröffnung zu preisen. Und Eduard Schewardnadse, 1990 Außenminister der Sowjetunion und heute Präsident Georgiens, lobte in einem Grusswort „die Entscheidung der Regierung Berlins, das Kontrollhaus vom Checkpoint Charlie wieder erstehen zu lassen“.

Angesichts so viel bemühter Authentizität fiel eins auf: Die GIs sprachen nie so schlecht Englisch wie gestern. Die Jungs – und eine Frau – in frisch gebügelter Uniform sind Mitglieder zweier Vereine, die sich der Berliner Alliierten-Geschichte verschrieben haben. Den amerikanischen Touristen den Hintergrund der Veranstaltung zu erklären, bereitete ihnen hörbar Schwierigkeiten. Wie etwa Sergeant Frank Heyn, der einer begeisterten Amerikanerin auf Fotos die Sammlung seines Vereins mit Helmen, altem Geld und Propagandamaterial zu erklären versuchte. Und mit Blick nach Osten verdeutlichte: „Wo der Wachturm steht, etwa dort stand die Mauer.“ Sergeant Heyn wurde dennoch zum Held des Tages, als er vor einem Pulk von Fotografen nach Enthüllung des Kontrollpostens seinen Wachdienst vor der drohenden Kulisse der frisch renovierten Friedrichstraße antrat.

Übrigens: Vor zehn Jahren, im Juli 1990, war der Kontrollposten im Beisein der Außenminister der Alliierten feierlich demontiert worden. Jetzt grüßt die gen Mitte Reisenden wieder das Schild „US-Army Checkpoint“. Das soll nach Plänen der Arbeitsgemeinschaft 13. August nicht alles gewesen sein. In deren Besitz sind nach eigenen Angaben auch die beiden Schlagbäume des Checkpoints sowie Teile des Grenzsicherungssystems der DDR, darunter auch Panzer- sperren.

Sollte Erich Honecker etwa Recht behalten mit seiner Prophezeiung, dass die Mauer auch noch in hundert Jahren stehen werde – wenn auch mit einer kleinen Unterbrechung?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen