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Ein Deserteur in Diplomatenkleidung

■ "Normalisierung" zwischen Kroatien und Jugoslawien: Ein Serbe aus der zwischen Serbien und Kroatien umstrittenen Krajina wird "Botschafter" in Zagreb / Dort hofft man auf seinen "positiven Eibfluß"

Zagreb (dpa/AFP/taz) – Fast drei Jahre nach dem serbisch-kroatischen Krieg und dem Zerfall Jugoslawiens haben Kroatien und die aus Serbien und Montenegro bestehende „Föderative Republik Jugoslawien“ weitere Schritte zur Normalisierung ihrer Beziehungen unternommen. Beim ersten Besuch eines jugoslawischen Politikers in Kroatien führten die stellvertretenden Regierungschefs Zeljko Simić und Mate Granić nach eigenem Bekunden „überaus nützliche Gespräche“, die in Zukunft weitergeführt werden sollten, um „gemeinsame lebenswichtige Fragen“ zu lösen. Beide Parteien versäumten es auch nicht, deutlich zu machen, daß „nur durch den Dialog“ zwischen Belgrad und Zagreb Stabilität auf dem Balkan herbeigeführt werden könne.

Als wichtigsten Punkt der Gespräche in Zagreb bezeichneten Granić und Simić die geplante Öffnung von Gesandtschaften in den jeweiligen Hauptstädten noch bis Monatsende. Ob diese Büros jedoch tatsächlich zur angestrebten Verbesserung der Beziehungen beitragen können, scheint fraglich: So hat Belgrad mit Veljko Knezević ausgerechnet einen kroatischen Serben aus der zwischen Serbien und Kroatien umstrittenen Krajina als zukünftigen Leiter des serbischen Verbindungsbüros in Zagreb nominiert.

Das Krajina-Problem war bei den Abkommen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Januar ausgeklammert worden. Nun betonten sowohl Granić als auch Simić, daß die Frage der serbisch besetzten Gebiete Kroatiens ausschließlich auf friedlichem Wege gelöst werden sollte. Der kroatische Politiker sagte, er hoffe, daß Knezević seinen „Einfluß“ auf die Krajina-Serben nutzen werde. Die kroatischen Zeitungen hatten dagegen Mühe, der Nominierung etwas Positives abzugewinnen: Sie bezeichneten den „Botschafter“ als „Deserteur in Diplomatenkleidung“.

Mit dem Krajina-Problem verbunden ist auch die Frage der gegenseitigen Anerkennung beider Staaten. Kroatien fordert von Belgrad die Anerkennung innerhalb seiner bestehenden, international anerkannten Grenzen. Belgrad hat dies bisher mit Rücksicht auf die Serben in den besetzten Gebieten Kroatiens und deren Abspaltungsbestrebungen abgelehnt.

Bei den unter strengen Sicherheitsvorkehrungen geführten Gesprächen vereinbarten die Vertreter Zagrebs und Belgrads außerdem die Bildung einer gemeinsamen Kommission für humanitäre Fragen. In enger Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) soll sich diese Kommission in erster Linie mit der Suche nach den Vermißten des Kriegs befassen. Allein auf kroatischer Seite werden knapp 8.000 Menschen vermißt.

Zu den diskutierten Problemen gehörten auch die Wiederherstellung der Telefonverbindungen zwischen den beiden Staaten, die auf dem Höhepunkt des Kriegs in Kroatien im Herbst 1991 unterbrochen worden waren. Und auch die Autobahn zwischen Belgrad und Zagreb soll schon bis Mitte März geöffnet werden. Der stellvertretende Regierungschef Jugoslawiens deutete allerdings an, daß es in diesem Punkt noch „gewisse Probleme“ gebe. Auch damit bezog sich Simić auf die Krajina-Serben: Durch ihr Gebiete führen zwei Abschnitte der Autobahn.

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