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Ein Bahn- und Biermensch

Der Autor Jaroslav Rudiš ist der neue Theodor-Storm-Stipendiat in Husum. Schreiben möchte er dort einen Roman. Ebenfalls auf dem Programm: viel mit der Bahn fahren

Einige Regionalbahnstrecken fehlen ihm noch: Jaroslav Rudiš Foto: Vojtěch Veškrna

Von Frank Keil

Diese gute Laune, die einen anspringt, die überspringt, in Jaroslav Rudiš’Texten ebenso wie im Menschen, wie er vor einem sitzt, in einem Biergarten im Kreuzberger Bergmann-Kiez. Hier sei er schon recht gerne: Bier in böhmischer Biertradition, aber von einer norddeutschen Brauerei gebraut; schöne Holztische, nicht zu laute Dudelmusik, gutes Essen. Er entschuldigt sich, er ist zwei Minuten zu spät, vielleicht drei. Rudiš ist ein freundlicher Mensch. Er trinkt ein alkoholfreies Weizenbier, er muss nachher noch eine Textidee überarbeiten und verschicken. Der Kopf sollte wach sein.

Im Herbst geht es nach Husum. Rudiš erhält dort das Theodor-Storm-Stipendium. Dazu gehört ein vierwöchiger Aufenthalt in einer Ferienwohnung. Und es gibt 7.500 Euro dazu.

Er will dort an einem Roman schreiben. „Mit der Vergabe der Auszeichnung an einen Autor der Gegenwartsliteratur ist die Hoffnung verbunden, dass die Begegnung mit Storms Landschaft literarisch produktiv werden könne“, so formuliert der Preisgeber in seiner Ausschreibung. Lesungen sind außer in Husum schon für das Literaturhaus in Kiel und in einer dortigen Brauerei verabredet. Auch auf dem Programm: Bahn fahren. „Ich bin ein Eisenbahnmensch, so wie ich ein Biermensch bin“, sagt er, nimmt einen ersten Schluck. Seine „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ wurde 2021 zum Bestseller.

Grundsätzlich ist Rudišin Mitteleuropa zu Hause; pendelt zwischen seinem Wahlwohnort Berlin und seiner böhmischen Heimat. Dort, 1972 in der Kleinstadt Turnov geboren, wächst er auf, ein Cousin fährt Loks, ein Großvater stellt dafür die Weichen, ein Onkel schafft als Fahrdienstleiter.

Jaroslav Rudiš: „Gebrauchsanweisung für Bier“, Piper, 256 S., 16 Euro (erscheint am 29. 8.))

Lesung im Rahmen der Storm-Tagung: 12. 9., 19 Uhr, Husumer Schloss

„Ich habe dann doch Germanistik und Geschichte studiert, nachdem ich nicht Lokführer geworden war“, erzählt er. Erst schreibt er auf Tschechisch, dann auf Deutsch.Bekannt wird er 2019 durch seinen wuchtigen Roman „Winterbergs letzte Reise“, wo man gleich im ersten Satz durch die Scheibe eines Zuges hinaus in die Welt schaut und von nun an der letzten Reise des 99-jährigen Wenzel Winterberg und seines wortkargen Pflegers Jan Kraus folgt. Es geht nach Budweis und Budapest und Sarajevo, entlang der Schlachtfelder diverser Kriege und über Grenzen, die es nicht immer gab. Stets mit der Bahn sind die zwei Heimatverlorenen unterwegs, die tschechische Bahn bedankte sich bei Rudiš mit einer BahnCard 100.

Aber auch der Norden ist ihm nicht unvertraut: Er war einst einer der Inselschreiber von Sylt, zeitgleich mit Daniel Kehlmann. Was in Erinnerung geblieben ist: Der Himmel, das Meer und die Wolken. „Ich habe damals verstanden, dass das Wetter, das wir in Böhmen haben, von der Nordsee her zu uns rübergeweht kommt“, sagt er.

Die Recherche für sein Bier-Buch verschlug Rudišin die Keller von Bamberg und bis in den Norden Islands

Im Herbst wird es eisenbahnmäßig manches abzuhaken geben. Die Hauptstrecken kennt er von seinem Buch über das Bahn-Reisen her, aber einige der Regionalstrecken fehlen in der Erfahrungsschatzkiste, die Bahn querfeldein nach St. Peter Ording etwa.

Fast drei Jahre hat Rudišmal in Bremen gelebt. Was an einer seiner drei Bands liegt, von denen eine „Kafka Band“ heißt: „Wir haben am Bremer Theater Kafkas ‚Das Schloss‘ als szenisches Konzert für sieben Musiker und fünf Schauspieler aufgeführt“, erzählt er. Was so gut gelang, dass die Band erneut dabei ist, als es gilt, auch Kafkas rudimentären ‚Amerika‘-Roman auf die Bühne zu bringen. Und wo er nun mal in Bremen war, inszenierte man noch sein Stück „Nationalstraße“.

Vier Wochen lang schreibt Rudiš im September in Husum Foto: Gregor Fischer/dpa

Jetzt kommt doch der Hunger, der Appetit. Die Boulette mit neudeutschem Kartoffelstampf und bissfesten Möhren: sehr gut; Rudiš nimmt das Backhendl, schlägt die Königsberger Klopse aus. Wir sprechen über sein kommendes Bier-Buch, für das ihn die Recherche in die Keller von Bamberg und bis in den Norden Islands verschlug. Es ist ein Buch voller Witz und voller Kenntnis: „Für die böhmischen und die fränkischen Biere zu schwärmen, ist die einzige Form von Patriotismus, die man genießen kann“, ist er überzeugt.

Draußen tobt ein Unwetter. Was soll’s, der Zug nach Hamburg geht in Kürze vom Berliner Hauptbahnhof. Er bleibt noch ein bisschen, er hat keine Regenjacke dabei, keinen Regenschirm.

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