: Ein Afroskeptiker für Afrika
Amara Essy, Diplomat aus der Elfenbeinküste, ist neuer und letzter Chef der Organisation der Afrikanischen Einheit
BERLIN taz ■ Es mutet an wie ein Abschiebeposten, aber tatsächlich ist es der zentrale Job bei der Schaffung eines vereinten Afrika. Der neue Generalsekretär der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU), den die 53 OAU-Mitgliedstaaten diese Woche bei ihrem Jahresgipfel in Sambia wählten, wird die OAU abwickeln – und sie in die neu gegründete Afrikanische Union (AU) überführen. Sie ist auf Initiative des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi entstanden und soll den Kontinent nach EU-Muster vereinen, um ihm eine starke Stimme auf der internationalen Bühne zu geben.
Für Gaddafi aber war die Wahl des ehemaligen Außenministers der Elfenbeinküste, Amara Essy, auf diesen Posten eine Niederlage. Der Libyer hätte lieber den scheidenden OAU-Generalsekretär Salim Ahmed Salim aus Tansania für eine Übergangszeit im Amt bestätigt gesehen, als willigen Vollstrecker seiner eigenen Vorstellungen. Essy, der im siebten Wahlgang gewann, wird nun aber in die zu gründenden AU-Institutionen seine eigenen Vorstellungen einbringen. Und während Gaddafi hochfliegende Visionen eines geeinten Afrika, möglichst unter seiner eigenen Führung und mit einer eigenen Interventionsarmee, verfolgt, ist Essy eher ein Afroskeptiker.
Schon beim OAU-Gipfel von Dakar 1992, als erstmals über gemeinsame Konfliktverhütung in Afrika nachgedacht wurde, äußerte Essy – damals noch als Außenminister der Elfenbeinküste – gegenüber der taz starke Zweifel daran, ob gemeinsame afrikanische Konfliktprävention überhaupt funktionieren könne. Die Ausbreitung panafrikanischer Kriege seitdem scheint ihm Recht zu geben. Essy setzt eher auf eine Stärkung der UNO; nach dem Ende seiner Amtszeit als Außenminister im Dezember 1999 war er im UN-Auftrag als Vermittler in den Konflikten der Zentralafrikanischen Republik und Kongo-Brazzavilles tätig. Er setzt auch, anders als Autokraten wie Gaddafi, auf marktwirtschaftliche Reformen als Mittel zur wirtschaftlichen Erholung Afrikas und auf stärkere Einbeziehung der Gesellschaft in politische Reformprozesse. In einer indirekten Kritik der führenden Politiker seiner heimatlichen Elfenbeinküste, in der sich ein fremdenfeindlicher Nationalismus ausgebreitet hat, weist er auf seiner Webseite (www.amaraessy.com) auch darauf hin, dass seine Wahl „ein Bollwerk gegen jede ausländerfeindliche Versuchung“ darstelle.
Essys Lieblingsthema ist die Kultur. Er wünscht sich eine bessere afrikanische Film- und Literaturförderung und ein von der OAU organisiertes jährliches Panafrikanisches Kulturfestival – im Jahre 2002 in Südafrika, danach in der Elfenbeinküste und dann in Nigeria. In Kongos Hauptstadt Kinshasa könne ein afrikanisches Comiczentrum entstehen, um diese vernachlässigte populäre Literaturform zu fördern, und die allmählich aussterbenden traditionellen Tänze Afrikas müssten wissenschaftlich erforscht werden. Unter Hinweis auf entsprechende Erfahrungen der UNO schlägt Essy bei diesen Projekten sogar die Einbeziehung reicher multinationaler Firmen als Sponsoren vor.
Viele dieser Ideen sind Häresie für Afrikas Regierungen. Aber vielleicht ist dies ein Gebiet, in dem Amara Essy am ehesten Spuren hinterlassen kann, bevor er in zwei Jahren – wenn alles nach Plan geht – vom ersten gewählten Präsidenten der AU abgelöst wird. DOMINIC JOHNSON
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