Eigentor für Eon und EdF: Wind macht Atom unwirtschaftlich
Eon und EdF wollen in England keine neuen AKWs bauen, wenn dort erneuerbare Energien gefördert werden. Ein Eigentor - denn damit bestätigen sie die Argumente der Atomgegner.
Ursprünglich sollte es eine Drohung sein. Die beiden Atomkonzerne Électricité de France (EdF) und Eon haben gegenüber der britischen Regierung erklärt, sie würden Pläne zum Neubau von Atomkraftwerken aufgeben, wenn im Land ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien stattfinde.
Die Drohung wurde jedoch zum Eigentor. Denn die Energiekonzerne haben damit nun freimütig bestätigt, was Atomkraftgegner vor allem in Deutschland immer wieder erklärt hatten: Ein engagierter Ausbau der erneuerbaren Energien lässt keinen Spielraum mehr für unflexible Atomkraftwerke, die für eine möglichst konstante Stromerzeugung ausgelegt sind.
Die EdF stellt in einer Stellungnahme gegenüber dem Department of Energy and Climate Change in London den Sachverhalt nüchtern dar: In Zeiten starken Windes werde die Stromproduktion aus Wind und Atomkraft den Bedarf künftig übersteigen, weshalb die Atomreaktoren dann zeitweise heruntergefahren werden müssten. Wenn eine solche Drosselung der Atomstromerzeugung in Zukunft aber regelmäßig nötig werde, beeinträchtige dies die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. "Das bedeutet, dass weniger Kraftwerke gebaut werden." Aus diesem Grund fordert die EdF die britische Regierung auf, ihr Ziel zum Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor von 35 Prozent auf nur 20 Prozent im Jahr 2020 zu senken.
Mit ähnlichem Tenor reagiert auch Eon auf die Pläne des britischen Energieministeriums: Jede Einschränkung der Erzeugung durch erneuerbare Energien schmälere die Rentabilität der Atomkraftwerke und stelle schließlich die Frage, ob es noch möglich sein werde, die Fixkosten der Reaktoren während ihrer Lebenszeit wieder zu erwirtschaften. Aus diesem Grund sollte die Unterstützung der britischen Regierung für die erneuerbaren Energien "nicht unbefristet" sein.
Vor allem in Deutschland, wo der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix mit zuletzt gut 15 Prozent - gegenüber kaum 2 Prozent in Großbritannien - bereits recht hoch ist, verfolgt man die Diskussion im Königreich mit großem Interesse. "Die Analyse von EdF und Eon ist richtig", sagt Ulrich Kelber, Vizevorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. "Ein hoher Anteil Atomenergie verträgt sich nicht mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien." Damit werde immer deutlicher, dass "Atomenergie eine Hemmschuhtechnologie" sei, die einer klimaverträglichen Energieerzeugung und mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten im Wege stehe.
"Sehr spannend" findet auch Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, die aktuelle Debatte in Großbritannien. Auch er bestätigt: "Unflexible Atomkraftwerke passen nicht zu Wind- und Solarenergie." Die Argumentation von Eon und EdF sei deswegen "sehr überzeugend", sagt Fell - selten dürfte die Atomwirtschaft so viel Zustimmung von ihren Gegnern erhalten haben.
Leser*innenkommentare
Gunnar Kaestle
Gast
"Das ist nicht richtig: Kernkraftwerke können durchaus den Mittellastbereich bedienen." Technisch ist diese Aussage richtig, das zeigt auch:
http://www.kernenergie.de/kernenergie/Themen/Kernkraftwerke/Flexibilitaet/index.php
Aber wie schon in Nestle & Nuttall (2007):
Can Nuclear Power Be Flexible? gesagt wird
"As we shall see the reason the nuclear power will continue to be a base-load technology are overwhelmingly economic rather than technical."
http://www.cessa.eu.com/sd_papers/wp/wp2/0203_Pouret_Nuttall.pdf, S.11 ist das keine technische Frage, sondern eine ökonomische.
Das zeigt sich beispielhaft am Rückgang des Grundlastbedarfs bei der residualen Netzlast im BEE-Szenario.
http://www.bee-ev.de/_downloads/publikationen/studien/2010/100119_BEE_IWES-Simulation_Stromversorgung2020_Kurzfassung.pdf
Dann werden nicht mehr 40 GW an durchgängiger Grundlast benötigt, sondern nur noch 20 GW. Der Rest wird durch Mittellast substituiert und einen wachsenden anteil Spitzenlast. Das Grundlastkraftwerk, was nicht mehr in Grundlast, sondern in Mittellast fahren muss, hat wirtschaftliche Nachteile.
Grüße, Gunnar Kaestle
bb25
Gast
Hallo Ihr Freunde der Großtechnologie, man kann es eigentlich nicht mehr hören und dennoch muss es ständig wiederholt werden: die regenerativen Energien kommen aus den unterschiedlichsten Quellen, Wind ist nur eine von vielen, Wasserkraft, Solartechnik, Geothermie und Biomasse weitere. Alle zusammen können uns sehr wohl sicher versorgen, denn die Grundlast kann von der Wasserkraft, der Geothermie, der Biomasse und auch den Strömungs- und Wellenkraftwerke verläßlich geliefert werden. Noch können wir uns streiten, doch in einigen Jahren wird uns der steigende Energiepreis zeigen, wohin es gehen wird. Wenn wir das zunehmende Problem der Verknappung der fossilen Energieträger nicht sehr bald in den Griff bekommen, dann sind wir den Erdgas- und Öllieferanten gnadenlos ausgeliefert. Dann wird es verdammt kalt und richtig teuer und alle unsere jetzt noch billigen Energien werden unbezahlbar, hier bei uns und erst recht in den Ländern der 3. Welt. Nun laßt doch endlich 'mal den deutschen Ingenieur ran, der wird das Problem der Netzschwankungen doch hoffentlich in den Griff kriegen (wie machen das eigentlich die Dänen?). Und im übrigen: in den Rechnungen und Diskussionen wird bisher nur pekunär gedacht und argumentiert, doch tatsächlich geht es jetzt schon eher um die CO2-Vermeidung, das ist das eigentliche Problem dieses Jahrhunderts.
Gerhard
Gast
Grundlastkraftwerke mit fossilen Energieträgern sind notwendig, um den Strombedarf zu sichern.
Die Frage ist, wieviel Prozent sollte man mit fossilen Kraftwerken abdecken, und welchen Anteil können Erneuerbare Energien (Wind, und zukünftig Fotovoltaik) leisten ?
Eine Windflaute in Deutschland kann beispielsweise durch "Windstärke" in anderen EU-Ländern (Spanien, etc.) ausgeglichen werden. Die Speichertechnologie von EE ist unzureichend entwickelt, und stellt ein Problem dar, das ist klar. Aber, durch den Ausbau der Stromvernetzung zwischen EU-Ländern kann dies anteilsweise kompensiert werden. Frankreich deckt 84% seines Strombedarf mit Kernenergie, also Grundlastkraftwerke decken Spitzenlastbedarf.
Dies sollte anders geregelt werden, und dafür sind EE die Alternative.
Erneuerbare Energien (EE) und fossile Energien behindern sich nicht gegenseitig, im Gegenteil sie komplettieren sich. Fossile Energiequellen sind endlich, auch Uranmaterial, damit sollte schonender umgegangen werden, während die Sonne als Energiequelle (und verantwortlich für Wind-, Fotovoltaiknutzung) unerschöpflich sind.
nicolo
Gast
Kein Wunder! Die gigantischen Investitionskosten in neue AKWs rechnen sich nur dann, wenn sie möglichst lang (60 Jahre) rund um die Uhr (8000 Stunden pro Jahr) produzieren dürfen. Bei einem Anteil der Erneuerbaren Energien von nur 20% am Strommix müßten AKWs in Großbritannien temporär gedrosselt, bei 35% sogar ganz abgeschaltet werden. Mit entsprechenden Konsequenzen für deren Wirtschaftlichkeit. Ohne Garantien des Staates wird es keine neuen AKWs geben, nirgendwo! Irgendwie haben wir das schon immer gewusst.
archimedes
Gast
sorry, ich meinte unten natürlich die süd w e s t küste finnlands (und zwar offshore wie onshore)
nicolo
Gast
Ich kann dem letzten Kommentar nur zustimmen! Die Salzkavernen in Norddeutschland haben genug Druckluftspeicherkapazität, um 20 GW Windleistung als Grundlast zur Verfügung stellen zu können. Und das lt. eines Gutachtens des IER sogar zu geringeren Mehrkosten als z.B. die heutigen Back-up-Kosten durch ein Steinkohlekraftwerk. Es ist dehalb geradezu Irrsin, die vorhandenen Speicherkapazitäten für den Einsatz einer Übergangstechnologie (CCS) endgültig zu blockieren. Deutschland hat ja so seine Erfahrungen mit sicheren Endlagern gemacht. CO² hat im Gegensatz zu Atommüll keine Halbwertzeit!
gultimore
Gast
Und was wird gemacht. Anstatt diese schöne Vorlage der Großen Energiekonzerne zu nutzen und die wunderschöne Kavernen in Deutschland für Druckspeicher zu nutzen, um die Schwankungen der erneuerbaren Energien aufzufangen, pumpen wir diese bald massig mit CO2 voll, um auf Jahrtausende deren Nützlichkeit zu unterbinden. Hurra.
archimedes
Gast
@ Bürger G: Gibt es einen Nobelpreis für arrogante Unwissenheit? Dann werde ich sie als Preisträger vorschlagen.
archimedes
Gast
@ thiotrix: du bist einfach leider sehr schlecht informiert.
z.b. ist die windenergieausbeute an von mir unten genannten standorten mehr als doppelt so groß wie im deutschen durchschnitt. ähnliches gilt z.b. für standorte in den niederlanden, in belgien, in dänemark, an teilen der küsten von norwegen und schweden, sowie der südostküste finnlands und anderen.
außerdem rührt die heute noch verlgleichsweise geringe menge der windenergieeinspeisung auch daher, dass die anderen heutigen kraftwerke zu inflexibel sind, um in einem grid effektiv zu sein,
daher wird sehr viel windkraft einfach nicht eingespeist, weil die doofen alten kohle und atomkraftwerke ihren strom dann nicht loswerden und die speichertechnik auch erst mangelhaft ausgebaut ist.
es gibt längst studien, die beweisen, dass ein europäisches grid aus erneuerbaren energien technisch problemlos funktionieren würde - wenn es endlich massiv ausgebaut würde, inklusive offshore wellenkraft und v.a. auch geothermie. allein die beiden letztgenannten könnten zusammen die grundlast decken.
vic
Gast
Wunderbare Argumentation von Eon und EdF.
Vielen Dank für ihre Unterstützung...
Nebenbei:
26.04.2009; 23 Jahre Tschernobyl!
archimedes
Gast
In der Tat: Mit offshore Windkraft + v.a. in Schottland und Nordirland auch onshore + offshore Wellenkraft (Wave Dragon oder andere Modelle von Wellenkraftwerken) + Geothermie + Gebäudesanierung + Umstellung der Beleuchtung auf LED + andere Energiesparmaßnahmen, könnte Großbritannien schon in weniger als 15 Jahren seinen gesamten Wärme- und Elektrizitätsbedarf decken.
thiotrix
Gast
Und was ist bei Windstille?
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist doch nur möglich, weil Kohle- oder Atomkraftwerke immer zuverlässig Strom erzeugen können, während die Stromeinspeisung durch Windkraftwerke völlig unberechenbar ist. Und die Tatsache, daß die Sonne nachts nicht scheint und demzufolge auch keine Stromerzeugung durch Solarkraftwerke möglich ist, sollte sogar bei den fanatischsten Sonnenenergie-Aposteln angekommen sein. Strom muß erzeugt werden, wenn er benötigt wird; große Mengen sind einfach nicht speicherbar. Was nützt die schönste Leistungsabgabe z. B. der bundesweit über 20.000 Windräder, wenn für den erzeugten Strom gerade kein Bedarf da ist? Die gleichen Probleme wird Großbritannien bekommen, wenn es Windkraftwerke in großem Stil baut.
Die ins Netz gedrückte Stromleistung kann innerhalb von kürzester Zeit (Stunden oder gar Minuten) dramatisch schwanken und bis auf fast Null zurückgehen! Was dann? Eine schöne Zahl aus einer dpa-Meldung vom 11.9.2009: „Bei einer in Deutschland installierten Windenergie-Leistung von 23.000 MW hat die verfügbare Leistung am 8.1.09 unter 900 MW = 4% gelegen“. Aufmerksame Bürger konnten in der sehr kalten Woche vom 4. – 11. Januar beobachten, daß sich viele Windräder über Tage fast nicht drehten! In Phasen sehr kalter Witterung ist die Stromanlieferung aus Windkraftanlagen sehr stark eingeschränkt, da bei derartigen Temperaturen in der Regel Windstille herrscht. Zusätzlich war tagelang die (ohnehin geringfügige) Sonnenenergie-Einspeisung ebenfalls fast auf Null gesunken, weil zahllose Sonnenkollektoren über Tage mit Schnee bedeckt waren.
Wind und Sonne können weder zur Grundlast noch zur Spitzelast beitragen. Rund um die Uhr wird ein Sockelbedarf an Strom benötigt, die Grundlast. Diese wird in unserem Land zu 50 % aus Braunkohle (auch so ein Teufelswerk für unsere politisch korrekten rot-grünen Weltenretter) erzeugt, 45 % durch Kernkraft und 5 % durch Wasserkraft. Alle anderen Energieträger sind nicht grundlastfähig – Erdgas ist zu teuer (und viel zu kostbar zum Verheizen) und Wind- und Sonnenenergie tauen wegen mangelnder Verläßlichkeit – s. oben) erst recht nicht für die Grundlast. Aber auch für Mittel- und Spitzenlast sind Wind- und Sonnenenergie überhaupt nicht zu gebrauchen. So schnell kann der Wind nicht auf Sturmstärke anschwellen, um die notwendige Energie für die Belastungsspitzen morgens, mittags und abends bereitzustellen. Und der Beitrag der Solarenergie im Winter – das ist hoffentlich auch meinen rot-grünen FreundInnen klar – liegt bei den Belastungsspitzen morgens und abends bei exakt null Komma null! Und wenn der Himmel bewölkt ist, sinkt die Leistungsabgabe der Sonnenkollektoren ganz schnell auf weit unter 10 %!
Noch ein paar Worte zur Speicherung: in Deutschland gibt es z.Z. 32 Pump-Speicher-Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6600 Megawatt (zum Vergleich: maximal mögliche, aber nie erreichte Leistung aller Windkraftwerke: 23.000 Megawatt).
Allein diese Zahlen belegen, daß die Windkraft ein teures „Wohlstandshobby“ mit minimaler Effizienz ist. Auch abertausend Windkraftwerke können nicht ein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzen!
Kleiner Tip für Windkraft-Enthusiasten: besuchen Sie doch mal historische Windmühlen – heute meist als Heimatmuseum genutzt. Sie werden immer wieder Anlagen finden, die bis in die 60er Jahre genutzt wurden – allerdings wurden die Mahlwerke nicht durch Wind angetrieben, sondern durch vergleichsweise unscheinbare Dieselmotoren, meist schon in den 20er und 30er Jahren eingebaut worden waren, um endlich von der unsicheren Windenergie loszukommen!
Stephan
Gast
Was wollen eigentlich die Kernkraft- und Kohlekraftgegner? Bei Flaute oder Nacht kein Strom mehr?
Bürger G.
Gast
"[...] unflexible Atomkraftwerke, die für eine möglichst konstante Stromerzeugung ausgelegt sind."
Das ist nicht richtig: Kernkraftwerke können durchaus den Mittellastbereich bedienen.
Das Problem beim Wind ist einfach, dass er Zufallsstrom produziert den kein Mensch braucht: Wer bracht um 1 Uhr nachts (z.B. am 23.03.2009) eine momentane Leistung von 16.000 MW Windstrom, wenn Grundlastkraftwerke wie Kohle und Kernenergie diesen liefern ?! Wer liefert aber dann, wenn Kernkraftwerke und Kohle nicht mehr vorhanden sind, um 1 Uhr nachts (z.B. am 25.03.2009) das Delta zischen den 16.000 MW und den an diesem Tag vorhandenen lächerlichen 2.000 MW Wind-Strom?
Erneuerbare Energien und Kernkraft behindern sich NICHT gegenseitig, wenn aus dem Zufallsstrom der Erneuerbaren endlich kalkulierbarer Stom wird! Das funktioniert aber nur, wenn Speichertechnologien vorhanden sind: Also, bevor man EE vorantreibt, muss man die Speicherung sichern!!!
Es ist mir klar, dass die "grünen" Politiker in diesem Lande, nicht den technischen Horizont haben um dies zu verstehen!