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Ehrung eines Hartnäckigen

■ Die „Humanistische Union“ verleiht den Ingeborg-Drewitz-Preis an Bernd Potrick

In den USA würde man ihn einen „jailhouse lawyer“ nennen einer, der sich selbst so viel juristisches Wissen angeeignet hat, daß er seinen Mitgefangenen das bieten kann, was sie oft nicht haben: fachkundigen Beistand. Ein „jailhouse lawyer“ wird selten gewürdigt - im Gegenteil, er setzt einiges aufs Spiel, zum Beispiel die Chancen auf eine vorzeitige Entlassung, und oft kann er Genugtuung nur aus dem Ärger ziehen, den er der Anstaltsleitung bereitet. Bernd Potrick wäre heute vielleicht schon „draußen“, wäre er nicht ein „jailhouse lawyer“.

Für seinen „hartnäckigen und selbstverständlichen Einsatz“ für die Grundrechte anderer hat ihm gestern die Humanistische Union den „Ingeborg-Drewitz-Preis“ verliehen. Potrick engagiert sich seit Jahren vor allem für ausländische Mitgefangene. Kein Justizminister und Petitionsausschuß, der nicht schon einmal Post von Potrick bekommen hätte.

Allein 15 Aktenordner füllt die Korrespondenz, die er für seinen ehemaligen Zellengenossen Ali Ayoub geführt hat, um zu verhindern, daß dieser mit seinem kranken Sohn in den Libanon abgeschoben wird. Ayoub wurde abgeschoben, doch in zweiter Instanz erlaubte ihm das Gericht zumindest, Anfang 1990 nach Berlin zurückzukehren. Sein Engagement brachte Potrick nicht nur den Ruf eines Querulanten, sondern auch einen Monat „Zuschlag“. Er hatte den für die Abschiebung verantwortlichen Richter mit einer Karikatur bedacht, worauf dieser sich verletzt fühlte und klagte. Potrick verbüßt noch bis zum Herbst '90 eine achtjährige Gefängnisstrafe wegen schweren Diebstahls. Für die Preisverleihung hatte er Ausgang bekommen.

„Wir wollen mit dem Preis Menschen ehren, die unbekannt sind und ohne den Schutz eines großen Namens arbeiten“, sagte die Landesvorsitzende der HU, Anna Elmiger, in ihrer Ansprache. „Ingeborg Drewitz hätte unsere Entscheidung sicherlich gebilligt.“

anb

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