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montagsmaler zehn gedichte in siebenfacher ausfertigung„Ehrliche Arbeit, Rinck“

In jedem Leben gibt es Deadlines. Es gibt sie Mitte des Monats, Ende des Monats und Ende des Lebens. Diese Aufzählung will gar nicht zynisch sein. Nachdem ich unlängst im zweiten katholischen Gottesdienst meines Lebens eine Osterpredigt hörte, die mit der unschlagbaren Exposition eröffnete: „Jüngst aß ich einen Camembert und betrachtete lange die Verpackung“, weiß ich, dass Deadlines und Verfallsdaten neben ihrer Funktion, uns vor umgekippten Milchprodukten zu schützen, auch eine sanfte Einübung in das große Ende sind, ein Memento mori. Alles ist eitel: Kaum etwas lässt dies deutlicher offenbar werden als das vergessene Mangochutney in der dunklen Tiefe des Kühlschranks. Angloamerikanische Eleganz hat zur Beschreibung des gleichen Phänomens einen höflichen Euphemismus gefunden: Best before . . .

Doch zurück zu den Deadlines: Meist sind sie am Freitag, das ist belegt. Und so gehörte auch der letzte Freitag wieder einmal dazu. Lyrikpreis Meran 2002. Zehn Gedichte in siebenfacher Ausführung, das ist ein rechtes Packerl. Auf dem Postamt Joachimstaler Straße, dem einzigen, das bis 24 Uhr geöffnet hat, herrscht trotz der späten Uhrzeit ein reger, doch gemächlicher Betrieb. Es liegt eine eigentümlich gespannte Ruhe über dem hellgelben Raum, als würde in zenbuddhistischen Lektionen die Kraft gelehrt, die der langsamsten Bewegung innewohnt. Die Adepten falten und packen und treten dann gesenkten Hauptes vor den blaugelben Meister. Ein pensioniertes Paar faltet in stiller Eintracht ein Postpackset nach dem andern, füllt es mit Walnüssen, Tannenzweigen und Geschenken. Ein junger Mann im Tweedsakko zwingt massive Kerzenleuchter in ein viel zu kleines Päckchen (XS), das trotz einer schützenden Hülle aus mehreren Lagen Klebefolie den gestrengen Postbeamten nicht passiert.

Ein Architekt hantiert hinter mir in der Schlange mit seiner Plexiglasrolle, und plötzlich weiß ich: Auch ich, ich wollte Häuser bauen. Etwas Großes machen! Etwas, für das nachts die Straßen abgesperrt werden müssen. Ein überbreiter Schwertransport, flankiert von blinkenden und jaulenden Autos, dessen Schwere ganze Straßenzüge erbeben lässt. Der Asphalt zittert. Bitte überholen Sie nicht. Menschen treten ans Fenster, greinende Kleinkinder auf dem Arm. Ich stehe am Rande, etwas verloren, die Zigarette zwischen meinen Lippen längst erloschen, bin sehr ernst. Jemand legt mir die Hand auf die Schulter und sagt: „Ehrliche Arbeit, Rinck.“ Ich antworte nicht, schlage meinen Mantelkragen hoch, werfe die Kippe weg und gehe meiner Wege, vielleicht noch auf einen scharfen Schnaps ins Musikcafé Spannbeton oder Zum einsamen Stahlgiganten, denn das, was dort auf leer geräumten Straßen seiner Bestimmung entgegenfährt, war meine größte Arbeit, mein Schicksal, mein . . . „Hallo, wollen Sie hier Wurzeln schlagen?“, fragt mich der Architekt, der nach mir kommt, auf einen leeren Schalter weisend. Nein, will ich nicht, denn ich bin wie Sie! Ich will Großes machen und gebe meinen Umschlag ab, der immerhin mit zwölf (in Zahlen: 12!) Mark frankiert werden muss. Ich sehe, ich bin auf dem rechten Weg.

Am Ausgang treffe ich einen befreundeten Dichter, der einen Langbrief von vielsagender Größe in der Hand hält. Meran? Meran. Ach, dass es das Coxx nicht mehr gibt, denken wir, als wir vor dem finstren Schleusenkrug stehen, wo nichts darauf hinweist, dass er jemals geöffnet hatte. Kein Licht, die Läden heruntergelassen, Tische und Stühle stehen verloren im Freien. Die Nacht ist eine andere Saison. Komm in den totgesagten Park und schau, sage ich, und er kommt und schaut.

MONIKA RINCK

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