: „Ehrlich gesagt, ich fühle mich verarscht“
■ Grüne nehmen Briefwechsel „im Hause“ wieder auf / Hindriksen beklagt eigene Unkenntnis
„Die brieflose Zeit der letzten dreieinhalb Jahre ist Gott sei Dank endlich vorbei; heute weiß ich erst, was mir gefehlt hat.“ So schreibt dieser Tage die grüne Abgeordnete Karoline Linnert an ihren Fraktionsvorstand. Tatsächlich: Am Donnerstag letzter Woche hatte Arendt Hindriksen, Noch-Vorstandssprecher der Landes-Grünen und schon Mitglied der neuen Bürgerschaftsfraktion einen Brief an den Fraktionsvorstand der Grünen „im Hause“ gerichtet. „Es erscheint mir als Abgeordneter äußerst bedenklich“, heißt es dort, „wenn ich aus der Presse erfahren darf, was ich als Fraktionsmitglied mit beschlossen haben soll.“
Da hatten doch der grüne Fraktionsvorstand im Namen aller Abgeordneten der Partei Mitte der Woche auf einer Pressekonferenz Einsparungen bei den Fraktionszuschüssen und Deputationen verlangt. Und Arendt Hindriksen wußte von nichts. Grund genug für einen Brief: „Ich bitte um Aufklärung, wann die Fraktion seit ihrer ersten Sitzung am 15. Mai diese Beschlüsse gefaßt haben soll“, heißt es darin. Und weiter: „Als Abgeordneter war ich bei einer Entscheidung nicht dabei. Ist das ein Versehen, oder wer versucht hier wen und aus welchem Interesse zu verkohlen?“
Hindriksen geht noch einen Schritt weiter: „In der logischen Konsequenz“ schreibt er, „würde das darauf hinauslaufen, daß ich mir die Fraktionssitzungen ersparen kann (Haushaltseinsparung pro Sitzung DM 30,-, pro Jahr ca. DM 1.200,-), weil der Fraktionsvorstand für mich stellvertretend eh entscheidet.“ Und endet Hindriksens Brief an den „lieben Fraktionsvorstand“ mit dem Satz: „Ehrlich gesagt fühle ich mich verarscht.“
Dieses Gefühl ereilte jedoch auch den Fraktionsvorstand nach Lektüre des Hindriksen-Briefs. Hatte doch die Fraktion in ihrer Sitzung am 19. Juni das Thema behandelt. „Der Fraktionsvorstand macht eine Pressekonferenz zum Thema 'Sparen vom Kopf her', wo er z.B. eine Kürzung der Fraktionszuschüsse und Einsparungen bei den Deputationen vorschlägt“, heißt es im Protokoll dieser Sitzung. Unter den Anwesenden wird darin auch Arendt Hindriksen genannt. Schreibt also Fraktionssprecherin Lisa Hackstein zurück: „Lieber Arendt, die von Dir vorgeschlagene Haushaltseinsparung von 1.200 DM an Sitzungsgeldern bei nur körperlich anwesenden Abgeordneten will ich gern übernehmen und auf der nächsten Fraktionssitzung zur Abstimmung stellen.“
Fehlt noch das Resümee der Abgeordneten Linnert aus dem eifrigen Briefwechsel „im Hause“ der grünen Fraktion: „Wie wäre es mit der Auslobung des Preises 'Brief des Monats'. Dafür möchte ich gerne vorgemerkt werden, ehe die Visitenkarten noch ohne diesen Titel gedruckt werden.“
Schließlich konnte Linnert im Briefwettbewerb schon einen ersten Punktgewinn verbuchen. Denn währen Arendt Hindriksen in seinem Briefkopf nur zwei Telefon-, eine Funktelefon- und eine Faxnummer nennt, bringt es Linnert ebenfalls auf derer vier, gefolgt von dem Zusatz: „oder laut rufen“.
Ase
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