Ehrenmord: Eine Straße zum Gedenken
Anlässlich des fünften Todestags von Hatun Sürücü fordern Freunde und Verbände, eine Straße nach der Ermordeten zu benennen. Doch das ist langwierig.
Mit einer Kranzniederlegung ist am Sonntag an den Mord an Hatun Sürücü erinnert worden. Die Trauerkundgebung, an der etwa hundert Freunde und Politiker teilnahmen, fand am Tatort, der Bushaltestelle "Oberlandstraße" in Tempelhof, statt. Sürücü sei ein Opfer, das nicht vergessen werden dürfe, erklärten der Türkische Bund und die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes". Deren Vorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk sprach sich zudem für die Benennung einer Straße nach Sürücü aus.
An der Haltestelle, an der die 23-jährige Deutschtürkin vor fünf Jahren von ihrem Bruder erschossen wurde, erinnert eine Gedenktafel an die Ermordete. Jetzt wäre es aber auch möglich, Hatun Sürücü mit einer Straße zu gedenken: Das Berliner Straßengesetz schreibt vor, dass Straßen nur Namen von Personen tragen dürfen, die mindestens fünf Jahre tot sind. Freunde und der Verein Hatun & Can fordern seit Längerem, eine Straße nach Hatun Sürücü zu benennen. Unterstützung erhalten sie nun von Verbänden und Politikern. "Das Thema Ehrenmord wird seit Jahren diskutiert, und es ist wichtig, dass der Mord nicht vergessen wird", erklärt Cumali Kangal, Sprecher des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg. "Eine Straße wäre ein wichtiges Signal, daran zu erinnern, wie sie umgebracht wurde", sagt Evrim Baba-Sommer, frauenpolitische Sprecherin der Linken.
Zweifel meldet die SPD-Abgeordnete Bilkay Öney an: "Man benennt Straßen nach Menschen, die sich um die Gesellschaft verdient gemacht haben. Hatun Sürücü hat ein mutiges und selbstbestimmtes Leben geführt, aber das reicht nicht für eine Straßenumbenennung." Öney fände es passender, ein Jugendzentrum für feministische Mädchenarbeit nach der Ermordeten zu benennen. Dies sei auch einfacher umzusetzen als eine Umbenennung.
Dass es sehr lange dauert, bis ein Antrag auf eine Straßenbenennung Erfolg hat, bestätigt auch Volker Hobrack, Vorsitzenden der Straßenbenennungskommission Mitte. "Es gibt wenige neue Straßen, und schon vorhandene dürfen nur unbenannt werden, wenn sie belastete Namen wie die von Förderern totalitärer Regime tragen", erklärt er. In den letzten Jahren hat er für neu gebaute Straßen rund um den Hauptbahnhof explizit Frauennamen gesucht. Die Bezirksverordnetenversammlung in Mitte hatte 2004 beschlossen, bei Neubenennungen von Straßen Frauen besonders zu berücksichtigen. "Ich könnte sie auf unsere Warteliste setzen, aber derzeit gibt es keine zu benennenden Straßen", sagt Hobrack.
Auch der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, ist für die Erinnerung an Sürücü durch eine Straßenbenennung, warnt jedoch: "Es muss schon eine Straße sein, die mit dem Leben Sürücüs oder mit Frauenrechten zu tun hat."
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