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Ehemaliger Daimler-ChefEdzard Reuter ist tot

Reuter wollte Daimler vom Autobauer zum Technologie-Imperium aufbauen – und scheiterte. Der Sozialdemokrat äußerte sich immer wieder politisch.

Engagierter Auto-Manager: Edzard Reuter sprach sich immer wieder für kulturellen Zusammenhalt aus Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart/Berlin dpa | Der frühere Chef von Daimler, Edzard Reuter, ist tot. Das teilte der Pressesprecher der Helga und Edzard Reuter-Stiftung mit. Er starb am 27. Oktober im Alter von 96 Jahren in Stuttgart.

Der studierte Mathematiker und Jurist kam 1965 zu Daimler-Benz und wurde dort 1976 Vorstandsmitglied. Zweimal war er als Chef schon im Gespräch gewesen, zweimal jedoch wurden ihm andere Kandidaten vorgezogen. 1987 klappte es dann.

Wäre es nach Reuter gegangen, dann wäre der heutige Autobauer Mercedes-Benz ein ganz anderes Unternehmen. Reuter hatte in seiner Ära versucht, den Autokonzern zu einem viel breiter aufgestellten Technologie-Imperium zu machen.

Heute gibt es den früheren klassischen Daimler-Konzern nicht mehr. Er hatte sich 2021 aufgespalten. Die bisherige Lastwagensparte wurde als Daimler Truck abgespalten. Und die Autos sind nun in der Mercedes-Benz Group AG gebündelt.

Einsatz für friedliches Zusammenleben der Kulturen

Reuter verhalf Daimler zu einer eigenen Luft- und Raumfahrttochter, der DASA. Auch AEG, Dornier und MTU gehörten dazu. Das brachte dem Chef viel Aufmerksamkeit, doch am Ende scheiterte die Vision. Daimler kehrte zurück zum Kerngeschäft. Was blieb, war ein Milliardenverlust – und Reuter wurde den von Kritikern aufgedrückten Stempel des größten Kapitalvernichters aller Zeiten nie mehr los.

Er selbst hat seinen Kurs immer verteidigt. „Wir haben im Einzelnen bei unserem Versuch, einen Technologiekonzern aufzubauen, gewaltige Fehler gemacht – gar kein Zweifel“, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. „Aber der grundsätzliche Weg ist nach meiner festen Überzeugung absolut richtig gewesen.“ Man habe schon damals überlegt, wie die Zukunft der Autoindustrie aussehen könne und wie das Unternehmen sich darauf einstellen solle.

Reuter war der Sohn des legendären Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter. Die Familie floh 1935 vor den Nationalsozialisten ins türkische Exil, sodass der spätere Auto-Manager einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in Ankara verbrachte. Wie sein Vater war er jahrzehntelanges Mitglied der SPD.

Er äußerte sich immer wieder zu politischen und gesellschaftlichen Themen, kritisierte nationalistische Entwicklungen in Europa. „Wir müssen lernen, dass Fremde, die zu uns kommen und mit uns leben, auch unser Leben bereichern können, auch ändern können“, sagte Reuter einmal der dpa. Von seinem Haus am Rande Stuttgarts aus führte Reuter selbst die nach ihm und seiner Frau Helga benannte Stiftung, die sich für ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen einsetzt.

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4 Kommentare

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  • Dass man mit Verbrennerautos trotz aller staatlichen teuren Hätscheleien und Lobbytricks irgendwann fällig ist, wusste man in den 1980ern.



    Ob man in Flugzeuge geht, war jedoch wohl die falsche Ableitung. Hightech wäre auch anders und zielführender gegangen.

    Was man Edzard Reuter wohl dabei lassen muss: Dass er Wirtschaft und Politik und Gesellschaft wohl noch zusammen dachte und keinen angelsächsisch geprägten Quartalsaktionismus bediente. Nach ihm wurde Daimler-Benz gut versteckt in Scheibchen ausgeweidet.



    Irgendjemand wird man's mal den Chinesen verkaufen, für den Namen. Es ist nur zu hoffen, dass dann Bosch zeitig auf E-Bikes umgestellt hat.

    • @Janix:

      Liggers. Hörnmer ihm - Edzard Reuter - mit seinen 95 Lenzen - nochmal im Interview zu.



      Ausriß “…„Es ist unerträglich, wenn Unternehmen nur Profitmaxi-mierung verfolgen – ohne Rücksicht auf die Beschäftigten, die Umwelt, das Klima oder die Steuergerechtigkeit.“



      www.brandeins.de/m...s-strengere-regeln

      Ja. Feines nachdenkliches Teil. Mit fast einem Aperçu zum Schluß!;)



      “…Apropos Tempolimit: Welches Auto fahren Sie?



      Natürlich Mercedes.

      Warum „natürlich“? Es steht Ihnen doch frei, jede Marke zu wählen.



      Da irren Sie sich. Es gibt eine selbstverständliche Pflicht gegenüber dem Unternehmen, die ich gerne erfülle. Leider war es viel zu lange kein Elektro-Auto, weil ich schlicht keines bekam, obwohl ich darum bettelte. Aber vor drei Tagen erhielt ich die Nachricht, dass ich nun doch eines bekomme.“

      kurz - Edzard Reuter fehlt & das schon seit längerem •



      - bonne voyage 💐 - “Einen hatten wir“ (Tucho)

  • “Reuter war der Sohn des legendären Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter. Die Familie floh 1935 vor den Nationalsozialisten ins türkische Exil, sodass der spätere Auto-Manager einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in Ankara verbrachte.“ …“ …wo er beispielsweise Eduard Zuckmayer kennenlernte. Seit 1946 war er Mitglied der SPD.“



    & sodele



    “Viele meiner engsten Freunde sind Türken“



    &



    “Im Juli 1987 wurde er auf Betreiben von Alfred Herrhausen Nachfolger von Werner Breitschwerdt als Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG. Bei seinem Amtsantritt bekannte er sich zu einer „offenen“ Unternehmenskultur und nannte als seine Maxime, dass „wir uns gleichrangig gegenüber den Kapitalgebern, gegenüber der Belegschaft und gegenüber der Umwelt verantwortlich fühlen und danach handeln…



    Reuter wollte aus dem Automobilunternehmen Daimler-Benz einen „integrierten Technologiekonzern“ schaffen.…



    Andreas Stockinger …vorm Hintergrund Abhängigkeit Daimlers vom chinesischen Markt …groß gedachte Vision“

    Doch - “Schaut auf diesen Mann!“ -



    Scheiterte jämmerlich an den Schrempp - Kretsche-Buddy-Zetsche & Co. & deren bis heute & zB Wolfsburg reichenden Ungeist •

    Gute Reise Edzard Reuter 💐

  • Ein großer Visionär verbrannte sich und viel Kapital am Unvermögen einer erstarrten Ununternehmerkultur. Was wir bis jetzt noch nicht kennen, wollen wir auch lieber weder vordenken, noch im eigenen Land vormachen lassen. Sonst müsste man sich womöglich noch auf radikale Veränderungen vorbereiten.