Ehemalige Heimkinder gegen Fonds: Entschädigung statt Almosen
Der Verein ehemaliger Heimkinder boykottiert den Hilfsfonds der Regierung. Er will jetzt prüfen lassen, ob damalige Vergehen Menschenrechtsverletzungen sind.
BERLIN taz | Der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH) will den Fonds "Heimerziehung West" boykottieren, der am 1. Januar gestartet ist. "Wir fordern für jeden Geschädigten eine Einmalsumme in Höhe von 54.000 Euro oder eine Opferrente von 300 Euro", sagte Dirk Friedrich, Vizevorsitzender des VEH, zur taz.
"Wir wollen ihre Almosen nicht", prangert der VEH auf seiner Homepage an. Damit meint der Verein, der 2004 als Interessenvertretung für die ehemaligen Kinder in westdeutschen Heimen von 1945 bis 1975 gegründet worden war, das Angebot des Fonds: 120 Millionen Euro für verloren gegangene Rentenansprüche sowie für Sachleistungen und Therapien. Dazu müssen AntragstellerInnen glaubhaft machen, dass sie bleibende psychische und physische Schäden haben oder zur Arbeit auf Feldern und in Fabriken gezwungen wurden.
Die Fondssumme wird vom Bund, von Ländern und Kommunen und von den Kirchen zur Verfügung gestellt. Der Entschädigungsfonds ist ein Ergebnis des "Runden Tischs Heimerziehung" von letztem Jahr.
"Ich bin 72, was soll ich mit einer Therapie?"
Beim VEH melden sich nahezu täglich Betroffene. "Viele Opfer sagen: Ich bin 72, was soll ich mit einer weiteren Therapie, ich habe schon ein paar hinter mir", berichtet Friedrich. Nicht wenige frühere Heimkinder, die überwiegend von Hartz IV lebten, hätten Angst, im Alter wieder in ein Heim abgeschoben zu werden. Friedrich sagt: "Die Opfer hassen Heime."
Das zuständige Bundesfamilienministerium weist die Vorwürfe des VEH zurück. "Wir halten den Fonds nach wie vor für eine richtige und sachgerechte Lösung", sagte eine Sprecherin.
Dem VEH schwebt eine Entschädigung vor wie in Irland: Dort beträgt die Fondssumme über eine Milliarde Euro, Antragsteller sollen Ausgleichszahlungen von jeweils bis zu 65.000 Euro erhalten. 15.000 Anträge seien "positiv beschieden" worden.
Rund 400 Opfer haben nach Friedrichs Aussage Entschädigungsklagen und Verfassungsbeschwerden eingereicht. Der Verein plant zudem eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. "Wir wollen prüfen lassen, ob es sich bei den Vergehen damals um Menschenrechtsverletzungen handelt", sagte Friedrich.
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