EduCamp in Köln: Un-Konferenz mit Methode

Am Wochenende findet mit dem Kölner EduCamp ein Barcamp statt. Ein schnelles Diskursformat, bei dem vorher nichts feststeht - außer dass jeder mittun darf.

Herkömmliche Konferenzen sind schnell langweilig. Bild: ondrasch / photocase.com

Wer kennt dieses starre Konferenzformat nicht? Die Diskussionsthemen müssen zur Unzeit eingereicht werden. Wenn der Vortrag dann Monate später stattfindet, geht’s oft sehr lang und getragen zu. Es sind 45 Minuten angesetzt, die buchstäblich bis 5 Minuten vor Schluss angefüllt sind – mit Vorlesung und/oder unverstehbaren Power-Point-Wasserfällen.

Kommt es dennoch zum Diskurs, meldet sich sofort der ehrpusselige Konkurrenzkollege Prof. Dr. Oberschlauberger. Und hält ein Koreferat, das mit Lob auf den Vorredner beginnt. Und erneut sehr lange dauert.

Der Kongress tanzt nicht, jedenfalls nicht mit Themen, schon gar nicht mit Aktualität. Die wirklichen Ideen, die Geistesblitze und Einfälle gibt es allenfalls beim Stehimbiss, wenn man ein paar vife Counterparts gegenüber hat. Wenn’s einem zu langweilig ist, wechselt man halt schnell hinüber zum nächsten Stehtisch, wo sich eine Crowd um einen unkonventionellen und frechen Kollegen schart.

Aus dem starren Format solcher stinknormalen Konferenzen wollen die sogenannten Un-Konferenzen oder BarCamps ausbrechen. Sie spannen allenfalls ein Dachthema über das Treffen, schreiben aber keine Sitzungsthemen vor. Der Souverän über den Sitzungsplan ist eine Art Vollversammlung zu Beginn der Konferenz, in der sich jeder Teilnehmer knapp vorstellt (mit drei Stichworten) – und sich dann in einen Teilgeber verwandelt. Weil er dem Plenum Themen vorschlägt, zu denen er mit anderen diskutieren möchte.

Diskutieren ist dabei ernst gemeint. Das heißt, es gibt nicht 45-Minuten-Vorträge, sondern ein Input oder ein Input plus Kommentar. Wem’s in der Sitzung zu langweilig wird, der wechselt einfach die Diskursbox. Wenn man so will, hat die Un-Konferenz den Stehtisch der Stino-Konferenz zur Methode erklärt.

Von Freitag bis Sonntag findet in Köln wieder ein solches BarCamp statt, es ist die spezielle Form des EduCamps, also des EducationCamps. Das heißt, es geht rund um Bildung. Denn das BarCamp beginnt nicht bei null. Es wird auf einer interaktiven Plattform vorbereitet, auf der Teilgeber Themen vorankündigen. (http://tiny.cc/educampthemen) Darunter sind Titel wie „Der freigelassene Lehrer“ oder „Leerräume statt Lehrräume“ .

Konferenz versus Un-Konferenz

Wozu ist ein BarCamp gut? Das konnte man beim Treibhäuser-Kongress in Bregenz im November sehen. Dort liefen Konferenz und Un-Konferenz zeitweise parallel. Während hier in der geplanten Versammlung etliche Themen unter den Tisch fielen, weil sie bei der Konferenzleitung keinen Anklang fanden, suchte sich das BarCamp seine Themen selber. Zum Beispiel gab es im Bregenzer BarCamp vier eigene Sitzungen zum elektronischen Schulbuch – ein Thema, das vom offiziellen Kongress als uninteressant abgewiesen worden war.

Das ist der Vorteil der schnellen Konferenzformate, zu denen auch das SpeedLab und der Design Thinking Workshop zählen: Themen sind dann spannend, wenn sie von den Teilgebern auf die Tagesordnung gesetzt werden. Sie werden mindestens so tiefgründig diskutiert. Aber vor allem viel kurzweiliger. Design Thinking zum Beispiel versammelt mehrere kleine Gruppen, die (durchaus streng moderierte) Phasen von inspirate über ideate bis zum prototyping absolvieren. Alle Gruppen arbeiten zum gleichen Thema – um sich dann ihre Ergebnisse gegenseitig vorzustellen. Design-Thinking-Teilnehmer berichten, dass sie in kurzer Zeit extrem kreativ zu Fragestellungen arbeiten – die aber zugleich sehr verschiedene Zugänge möglich machen.

Keine Übellaunigkeit und eitles Posieren

Ein Geheimnis der schnellen Formate ist, dass die weit verbreitete Übellaunigkeit und das eitle Posieren quasi ausgeschaltet ist. Wer ein Koreferat zu einem 5-Minuten-Input hält, muss eigene Themen positiv setzen. Das Gleiche trifft auf den engen Zeitrahmen des Design Thinking zu: Ad personam-Kritik schwindet, wenn man nur zwei, drei Minuten hat, um eine Idee zu platzieren – ganz wörtlich etwa, indem man sie auf einen kleinen Zettel schreibt und auf eine Tafel heftet, neben die Ideen anderer (Klebe-)Diskutanten.

Ist dann Kritik als Motor des Denkens ausgeschaltet? Ja und nein. Ja – denn innerhalb der Workshops kommt es gar nicht gut, sich inhaltlich gegen einen der Vortragenden zu wenden. Beim Kölner Web-2.0-Speedlab zitierte im Dezember eine Professorin ausschließlich positive Studien zu Computergames – Nachfragen zu dieser einseitigen Sprechhaltung gab es praktisch nicht. Und das, obwohl seriöse kritische Studien bergeweise existieren. Games-Kritik mag die flüssige Web-2.0-Gemeinde halt nicht.

Hingegen reagiert sie geradezu allergisch, wenn Vertreter alter Konferenzformate auftreten. Etwa wenn beim EduCamp 2011 in Bielefeld ein echter Professor einen Vortrag hält. Klaus-Jürgen Tillmann wurde, er hatte noch nicht mal ausgeredet, über Twitter und soziale Netzwerke mit Häme und auch dummen Bemerkungen überschüttet. Ein Beobachter des Camps beschrieb die Szene im Onlinedienst heise so: „Die Situation in Bielefeld grenzte an absurdes Theater: Da stand ein Redner alter Schule und sprach über neue Lernkulturen, während die vernetzten Zuhörer schweigend in ein Gespräch vertieft waren, von dem der Vortragende ausgeschlossen war.“

Wird das EduCamp die Vorzüge der neuen Formate zeigen – oder sich in totaler Verflüssigung ergehen. Das wird man sehen, wenn ab Freitag 16 Uhr das EduCamp beziehungsweise sein Hackervorspiel beginnt. Allerdings: Nicht jeder wird das sehen. Denn man muss sich anmelden – wie bei jeder ordinären Konferenz auch.

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