Edis letzer Brief: Verehrte Muschi,...
Edmund Stoiber schreibt seinen letzten Brief als Ministerpräsident - an seine Muschi. Nun kehrt er endlich heim nach Wolfratshausen.
ich schreibe Dir diesen Brief, weil es der letzte ist, den ich Dir als Ministerpräsident des Freistaates Bayern schreibe und Du ihn bekommen sollst, bevor ich jetzt dann heimkomme. Ich habe Großes geleistet für dieses Land und auch für die Menschen in diesem Land, was nicht jeder von sich behaupten kann, und es kann auch nicht jeder. Insofern war der Parteitag noch einmal es ist ein eindrucksvolles Zeugnis meiner Leistung, weil es die Partei ohne mich niemals so lange geschafft hätte an der Tabellenspitze, und ich habe alles dafür gegeben, dass das auch so bleibt.
Aber jetzt droht der Abstieg. Du hast sie ja gesehen, die Zwergerl, die mir jetzt nachfolgen wollen, aber da kann er sich noch so sehr auf einen Stuhl stellen, der Erwin Huber, er wird immer ein kleiner Mann bleiben, fromm vielleicht, aber ohne Format und eigentlich nur dafür da, die Visionen umzusetzen von einem wie mir, und damit wird er jetzt auch ganz schön beschäftigt sein. Genauso wie der Beckstein, der ist ja auch sehr fromm, man wird schon noch sehen, was man davon hat und ich habe ihnen große Fußstapfen hinterlassen, in die zu treten es größere Schuhe braucht, als die sie sich vorstellen können, weil sie sie nicht haben und sich erst einmal mühsam aus der Kreisliga hinaufspielen müssen in die Champions League, wo sie nichts verloren haben, weil ihnen die Klasse fehlt und die Spielerfahrung.
Ich schreibe Dir diesen Brief aber nicht, um zu jammern und in die Vergangenheit zu schauen, obwohl es doch eine Schande ist, wie es war, und ich könnte jetzt ganz woanders sein, als ein ganz anderer, der ich jetzt bin, aber sie haben es nicht anders gewollt, und auch wenn sie jetzt so dankbar tun, haben sie mich weggebissen wie Schlangen, die ich selbst an meiner Brust genährt habe. Aber noch ist nicht aller Tage Abend und es wird noch der Tag kommen, da werden sich noch einige anschauen, namentlich bei der nächsten Landtagswahl, weil sich dann schon zeigen wird, wer sie alles nicht wählt, weil sie lieber mich gewählt hätten, und wenn sie mich um Rat fragen, dann kann ich es ihnen schon sagen, dass es nichts werden kann, wenn die Schüler selber Lehrer spielen wollen. Aber kommen wir zum Wesentlichen, was ich Dir schreiben will, und das ist der Fahrplan für die nächste Zeit und wie es weitergeht.
Wenn ich also jetzt heimkehre nach Wolfratshausen, lässt das ein gemeinsames Zusammenleben in Erwartung stehen, was einer genauen Vorplanung bedarf in Anbetracht der organisatorischen Vorplanung. Zunächst findest Du anbei einen Referentenentwurf für die kommende Einkaufsliste und ich erwarte die Umsetzung bis zum nächsten Abendessen. Des Weiteren müssen wir in den kommenden Monaten ein akzeptables Familienleben durchleben, weil das in Hinblick auf 2009 von eminenter Wichtigkeit ist. In diesem Zusammenhang will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, was ich auf dem Parteitag schon gesagt habe, nämlich, dass Du meine First Lady bist und bleibst und diese Geschichten brauchst Du nicht glauben, die von hinterfotzigen Personen hinter vorgehaltener Hand erzählt worden sind, um mir zu schaden, was ihnen aber nicht gelingen wird. Diese junge Abgeordnete jedenfalls hat mich rein aus der Pflicht heraus für die Partei interessiert und sie ist eine Karrierereserve für die Christlich Soziale Union auf Bundesebene, wo wir auch in Zukunft eine starke Kraft sein müssen für Bayern und die Menschen in Bayern, weshalb ich sie in einigen Fragen beraten habe, damit sie noch was lernt, und es ist weiter gar nichts gewesen, weswegen Du Dich aufregen müsstest, und wenn, dann nur, weil sie mich an Dich erinnert hat, wie Du jung gewesen bist. Aber da war nichts und da wird auch nichts mehr sein, weil es lange vorbei ist. Also reg Dich nicht auf, wenn wieder jemand so eine Geschichte erzählt, weil sie nicht stimmt, und meine Personenschützer brauchst Du gar nicht erst fragen, weil die nichts wissen und es Dir auch nicht sagen werden. Und es darf auch auf keinen Fall herauskommen. Vergiss also diese Sache, denn es geht jetzt um Höheres.
Wie Du ja weißt, ist diese Brüsselsache nur ein Übergang und ich werde mich da nicht lange aufhalten, obwohl es da sehr interessante Regelungen zu treffen gibt, was Bürokratieabbau und Vereinfachung betrifft, eine im Verwaltungsapparat unabdingbare, dennoch schwer zu leistende Grundlagenlegung für eine europäische Entbürokratisierung, damit die Bürger besser verstehen, was wir meinen, wenn wir Europa sagen.
Aber das ist nur für kurze Zeit, weil die Hebel schon alle gestellt sind für den 1. Juli 2009 und wir dann ins Schloss Bellevue einziehen werden. Und zwar so: Zuerst habe ich die Weichen gestellt, dass in den Medien alles auf mich hinausläuft, und der Bayerische Rundfunk wird von meinen jüngsten Personalentscheidungen noch sehr lange profitieren, jedenfalls in der richtigen Richtung, und da kann der Beckstein lange warten, bis er dort auch nur einen einzigen Posten besetzen kann, weil ich habe sie alle besetzt bis auf den letzten und er muss warten, bis die alle in Rente sind, aber dann ist er schon selber in Rente. Aber vorher müssen der Huber und der Beckstein mich noch vorschlagen als Bundespräsident, das war ja überhaupt die Bedingung, dass ich zurücktrete, sonst würden die heute noch warten und nicht mit meinem Diensthubschrauber umeinander fliegen. Die Merkel kann dann aber auch nicht mehr anders, weil es nicht sein kann, dass einer wie der Köhler eine zweite Amtszeit bekommt, obwohl er erwiesenermaßen einen wesentlich geringeren Sachverstand hat als ich, vor allem, was die Wirtschaft betrifft, und man wird schon noch was finden, damit man ihn verjagen kann. Der Söder hat mir zwar versprochen, dass er sich darum kümmert, aber in letzter Zeit ist der auch nicht mehr so gehorsam wie früher und ich glaube, dass er ein Stoiberianer ist, das hat er damals nur gesagt, damit es so ausschaut, als wäre er ein treuer Mensch, was er aber nicht ist, wie ich mir eigentlich schon immer gedacht habe. Ich habe sogar gehört, er will jetzt erst mal gar nicht arbeiten und nach Kuba fahren, stell Dir das vor, der Söder in Kuba, was er da nur will, aber er hat gesagt, er war schon mal da und es war sehr schön und er könne es mir nur auch einmal empfehlen, aber warum er dann so dreckig gelacht hat, das verstehe ich nicht, und es war eine Unverschämtheit, die unter meiner Würde liegt, dass ich sie überhaupt kommentiere.
Verehrte Muschi, jetzt hat der Fahrer schon geklopft und ich gebe ihm jetzt diesen Brief mit, damit Du ihn gleich liest und alles weißt, wenn ich gleich heimkomme, weil ich dann erst einmal meine Ruhe haben will und die Zeitung lesen, obwohl sowieso nichts Gescheites drinstehen wird, jedenfalls nichts, was ich nicht schon wüsste.
Es grüßt Dich
Dr. Edmund Stoiber
Ehrenvorsitzender der CSU
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga