Edathy-Abschlussbericht im Bundestag: Debatte ohne Hartmann
Der SPD-Politiker Michael Hartmann ist wieder im Bundestag. Bei der Debatte über den abschließenden Bericht des Edathy-Ausschusses fehlte er.
„Ja“ zum Haushalt 2016, „Nein“ zum Klima-Programm der Grünen, „Ja“ zum Syrien-Einsatz: In den vergangenen drei Wochen hat er keine namentliche Abstimmung verpasst.
Nur am Freitag Nachmittag, da fehlte der SPD-Mann. Zufall war das nicht: Das Plenum diskutierte über den Abschlussbericht des Edathy-Untersuchungsausschusses. Für den Bundestag war es der letzte Akt einer Affäre, in der Hartmann eine Hauptrolle spielte.
Zur Erinnerung: Sebastian Edathy ist der SPD-Abgeordnete aus Niedersachsen, der vor zwei Jahren sein Mandat niederlegte. Kurz danach ließ die Staatsanwaltschaft seine Wohnung nach Kinderpornos durchsuchen. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte Monate zuvor die SPD-Spitze über die drohenden Ermittlungen informiert.
Jede Fraktion eine eigene Antwort
Der Untersuchungsausschuss sollte später klären, ob Edathy vorgewarnt wurde – und von wem. Eine Frage, auf die jede Fraktion ihre eigene Antwort gefunden hat.
„Sebastian Edathy wurde gewarnt. Wir konnten aber nicht feststellen, von wem“, sagte Eva Högl (SPD) am Freitag im Bundestag.
„Michael Hartmann wird von einigen glaubhaft aufgetretenen Zeugen erheblich belastet“, sagte Armin Schuste (CDU).
„Wir wissen heute, dass Edathy von Michael Hartmann von den Ermittlungen erfahren hat“, sagte Irene Mihalic (Grüne).
Belastende Zeugenaussagen
Tatsächlich sprechen etliche Zeugenaussagen für die Variante der Opposition. Die wichtigste davon fiel in nicht-öffentlicher Sitzung. Ihr Wortlaut ist erst jetzt durch den Abschlussbericht bekannt.
Sie stammt von einem Zeugen aus Rheinland-Pfalz. Er kennt beide Abgeordneten gut: Für Hartmann arbeitete er einst, zu Edathy hatte er eine enge persönliche Beziehung. Laut seiner Aussage nahm ihn Hartmann auf einer Feier während des SPD-Parteitags 2013 zur Seite. „Er hat mich gefragt, ob mir bei Sebastian Edathy in letzter Zeit Ungewöhnliches aufgefallen war. Dann hat er gemeint, ob ich jemals den Eindruck hatte, dass Sebastian Edathy eigenwillige Vorlieben habe“, sagte der Zeuge.
Anschließend habe Hartmann ihm verraten, dass Edathy in einem Kinderporno-Fall im Visier der Ermittler sei und die Fraktionsspitze der SPD Bescheid wisse. Und die Aussage geht noch weiter: „Später am Abend habe ich gesehen, dass Edathy und Hartmann abseits standen und miteinander gesprochen haben“. Und schließlich: „Hartmann und ich haben mit Leuten später noch mal zusammengestanden und er hat mir, mich kurz beiseitenehmend, gesagt: Wir haben miteinander gesprochen. Ich glaube, das war gut.“
Zukunft ungewiss
Weitere Zeugen stützten diese Version. Hartmann selbst dementierte zunächst, verweigerte dann die Aussage und meldete sich schließlich krank. Etliche Fragen ließ er offen: Kann er die Vorwürfe entkräften? Wenn nicht: Von wem stammten seine Informationen? Und wer hat ihn damit beauftragt, Edathy zu informieren?
„Herr Hartmann hätte an der einen oder anderen Stelle zur Aufklärung beitragen können“, sagte Michael Frieser (CSU) am Freitag in der Abschlussdebatte. Bis heute hat er das allerdings nicht getan. Öffentlich will sich Hartmann zumindest solange nicht mehr zur Edathy-Affäre äußern, bis die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen Falschaussage und ihre Vorermittlungen wegen Strafvereitelungen einstellt.
Dafür ist er nun also zurück im Bundestag. Nach seiner Genesung darf er wieder in den Reihen der SPD-Fraktion sitzen. Bis auf weiteres? Bis auf 2017? Oder sogar darüber hinaus? Aus Hartmanns Umfeld heißt es: Ob er bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal kandidiere, habe der Abgeordnete noch nicht entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!