Eckpunkte für Lieferkettengesetz: Billig produzieren, verklagt werden
Firmen, deren Zulieferer Menschenrechte missachten, drohen Bußgelder. Arbeits- und Entwicklungsministerium legen die Eckpunkte für das Gesetz vor.
Die Initiative ist eine Reaktion auf Katastrophen wie den Zusammenbruch der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013. Dadurch wurde klar, unter welch schlechten Bedingungen auch deutsche Unternehmen in armen Ländern produzieren ließen – und lassen. Sollte aus den Eckpunkten ein Gesetz entstehen, können Firmen leichter vor hiesigen Gerichten verklagt werden.
Laut der Eckpunkte soll die Regulierung für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten, deren Zentralen in Deutschland stehen. Diese sind verpflichtet, menschenrechtliche Risiken bei ihren Zulieferern „zu ermitteln“. Typische Probleme sind Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, Gewerkschaftsverbot, mangelnde Sicherheit am Arbeitsplatz, unzureichende Löhne, zu lange Arbeitszeiten oder Gefährdung der örtlichen Bevölkerung im Umkreis von Bergwerken und Plantagen.
Zusätzlich müssen die Unternehmen selbst „Maßnahmen ergreifen und überprüfen“, damit die sozialen und ökologischen Menschenrechte von Zulieferbeschäftigten und Anwohner*innen nicht verletzt werden. Außerdem haben die Betriebe Beschwerdemechanismus einzurichten, um den Arbeiter*innen zu ermöglichen, ihre Probleme mitzuteilen. Wer dagegen verstößt, kann vor bundesdeutschen Gericht auf Schadensersatz verklagt werden. Hiesige Behörden, etwa die Gewerbeaufsicht, können Bußgelder verhängen und Firmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen.
Eckpunkte sind entschärft
Allerdings ist das „Haftungsrisiko für die Unternehmen begrenzt“, wie es in den Eckpunkten heißt. Sie sollen nur nachweisen, sich „angemessen“ gekümmert zu haben – beispielsweise um die Arbeitsbedingungen bei ihren Hauptzulieferern. Wenn es jedoch bei deren Vorlieferanten zu Unfällen kommt, muss das nicht unbedingt die Verantwortung der hiesigen Unternehmen betreffen. Außerdem soll es möglich sein, den Nachweis für die Sorgfalt durch die Mitwirkung in einem „Branchenstandard“ zu erbringen. Wenn Firmen etwa aktiv im von Entwicklungsminister Gerd Müller gegründeten Textilbündnis mitwirken oder den Standard der Fair Wear Foundation anwenden, wären sie auf der sicheren Seite.
Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) freut man sich über solche Entschärfungen im Vergleich zu einem Gesetzesentwurf des BMZ von 2019. Dieser hatte auch Unternehmen ab 250 Beschäftigte einbezogen. Gleichwohl kritisiert der BDI das Vorhaben: Es stelle einen nationalen Alleingang dar, besser wäre eine europäische Regulierung.
Umsetzung unklar
Die Reaktion der Menschenrechts- und Entwicklungsverbände ist gemischt. Miriam Saage-Maaß von der juristischen Bürgerrechtsorganisation ECCHR lobt „die umfassende Definition der menschenrechtlichen Sorgfalt“. Sie wie auch Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor kritisiert allerdings die Möglichkeit für Unternehmen, ihre individuellen Nachweispflichten durch die Teilnahme an Branchenstandards abzugelten. Die Initiative Lieferkettengesetz bemängelte unter anderem, dass Umweltschutz eine zu geringe Rolle spiele.
Ob aus den Eckpunkten ein Gesetzentwurf entsteht und wann dieser beschlossen wird, ist unklar. Unternehmensverbände versuchen, das Verfahren zu verzögern. Möglicherweise muss eine neue Regierung nach der nächsten Bundestagswahl einen weiteren Anlauf nehmen. Vielleicht mündet die deutsche Initiative auch in eine europäische Regelung. Außerdem spielt eine Rolle, was die aktuelle Befragung der Unternehmen durch die Regierung ergibt. Hält sich die Mehrheit der Firmen an den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, könnte die Regierung auf das Gesetz verzichten. Zeigt das Umfrageergebnis hingegen, dass die Firmen es mit den Arbeitsrechten nicht so genau nehmen, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Regulierung. Das Ergebnis soll Mitte Juli vorliegen.
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